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Was gab es Neues auf der SightCity 2007?

von Carsten Albrecht, Heike Klamroth und Franziska Padge, INCOBS 2007

Schätzungsweise 3.500 Interessierte besuchten die sechste SightCity vom 9. bis 11. Mai 2007 in Frankfurt. 93 Aussteller präsentierten ihre Produkte und Dienstleistungen.

Windows Vista und Hilfsmittelsoftware

Um das neue Betriebssystem Windows Vista wird man sich im Berufsleben nicht drücken können. Auf der SightCity konnte jedoch noch kein Aussteller eine fertige deutsche Version eines Vista-kompatiblen Screenreaders oder einer Vergrößerungssoftware zeigen. Gleichwohl stehen mehrere Anbieter kurz davor:

  • Der Screenreader JAWS 8.02 ist für Juni/Juli 2007 angekündigt. Damit sieht man sich bei IPD, Handy Tech und Papenmeier gut gerüstet. Die mit JAWS verwandte Vergrößerungssoftware MAGic 11.0 soll nur wenig später erhältlich sein.
  • Die Firmen Baum und Audiodata wollen den neuen Screenreader Cobra ab Anfang Juni offiziell erproben. Dieser unterstützt das neue Windows-Betriebssystem und Office 2007. Bei der Entwicklung wurden die Bedienkonzepte von Virgo und Blindows vereint.
  • Die Vergrößerungssoftware ZoomText 9.1 der Firma Ai Squared unterstützt neben Vista und Office 2007 auch die gleichzeitige Ansicht auf zwei Monitoren. Gezeigt wurde sie in englisch, die deutsche Ausgabe wird für Ende Mai erwartet. Sie istz.B. bei AASB, fluSoft, Handy Tech, Hedo, IPD, Low Vision, Marland, Novotech, Papenmeier, Reha-Net, Reinecker und Steller erhältlich.
  • Eine Vista-taugliche Version des Screenreaders Hal bzw. der Vergrößerungssoftware Lunar/Supernova plant die Firma Dolphin bereits für Anfang Juni. Lunar oder Supernova werden von Deininger, fluSoft, KTS, Low Vision, Marland, Papenmeier, Reha-Net, Reinecker oder Tieman angeboten.

An das neue Office 2007 wird man sich aufgrund des neuen Bedienkonzeptes und Designs gewöhnen müssen. Herr Behrendt von Papenmeier sagte in einem Interview mit INCOBS: "Es ist sicherlich für einen Neueinsteiger eine deutliche Verbesserung gegenüber dem alten Office-Programm. Für Jemanden, der schon über Jahre Office-Erfahrungen hat, bedeutet es, unabhängig davon, ob er blind oder sehbehindert ist, eine erhebliche Umstellung und einen nicht unerheblichen Trainingsaufwand".

Screenreader für Handys

In Deutschland sind Talks und Mobile Speak als Screenreader für Symbianhandys weit verbreitet. Konkurrenz taucht jetzt durch die Screenreader Smart Hal von Dolphin und Mobile Speak Pocket von Code Factory auf. Diese Screenreader eignen sich für sogenannte Smartphone Handys, die nicht auf Symbian, sondern auf Windows Mobile basieren. Zur Datensicherung und zur Synchronisation wird bei diesen Handys Active Sync von Microsoft eingesetzt, das laut Jane Brassington von Dolphin Computer Access viel einfacher zu bedienen ist als die Data Suit von Nokia.

Braillezeilen und Organizer

Am Stand der Firma Vision SAS konnte man das mobile Vorlesegerät Top-Braille bestaunen. Es besteht aus einer kleinen Handkamera mit einem Braillemodul. Fährt der Anwender mit der Kamera z.B. über eine Buchseite, werden die einzelnen Buchstaben auf dem Braillemodul angezeigt und eine französische Sprachausgabe spricht diesen Buchstaben. Ein marktreifes, deutschsprachiges Modell wird laut Hersteller derzeit entwickelt, gesucht wird noch ein deutscher Vertrieb. Sollte das Top-Braille dann im Alltag einsetzbar sein, wären Blinde in der Lage, an jedem Ort und zu jeder Zeit gedruckte Texte aller Art zu lesen.

"Pronto QS" ist der neue Mini-Organizer der Firma Baum Retec AG mit Sprachausgabe und Schwarzschrifteingabetastatur. Das Pronto QS kommt schlank daher und bietet laut Hersteller alle Funktionen, die von anderen Modellen dieser Serie bekannt sind, wie Notizfunktion, Taschenrechner, Terminverwaltung und Adressdatenbank. Alle Vario-Connect- sowie weitere Braillezeilen können per Bluetooth angeschlossen werden. Anwender haben somit die Wahl zwischen der Eingabemöglichkeit per Braille- oder Schwarzschrifttastatur; aber auch die Qual, sich für ein Gerät mit oder ohne integrierte Braillezeile entscheiden zu müssen.

Wer auf der SightCity 2007 nach brandneuen Braillezeilen suchte, wurde u. a. am Stand der Firma Tieman, international mittlerweile unter dem Firmennamen "Optelec" bekannt, fündig. Der ALVA Braille Controller (BC) 640 setzt nach Herstellerangaben neue Maßstäbe. Mit den Maßen 33,8 x 7,5 x 1,8 cm ist das Gerät im Vergleich zu den bisherigen ALVA-Modellen klein. Soll aus dieser Zeile aber ein echter "Controller" werden, mit dem man u. a. per Bluetooth den PC steuern kann, sind optional erhältliche Features notwendig. Auf dem optional integrierten USB-Speicher kann der bevorzugte Screenreader mit den persönlichen Einstellungen abgelegt werden. Mit Hilfe des vom Hersteller als "Braille Audio Feature Pack" bezeichneten, an den BC 640 ansteckbaren Zusatzmoduls kann der PC beispielsweise via Bluetooth-Verbindung von einem anderen Raum aus gesteuert werden. Eine Entfernung bis zu 100 Metern soll ohne Verbindungsabbrüche möglich sein.

Kameralesesysteme/Bildschirmlesegeräte

Zur großen Auswahl der ausgestellten Bildschirmlesegeräte gehörten vielfach neue oder modifizierte Modelle bekannter Serien. Ein Beispiel ist das Videomatic RP von Reinecker, ein neueres Mitglied der Videomatic-Reihe. Dieses stationäre System wurde speziell für Retinitis-Pigmentosa (RP)-Betroffene entwickelt. Der Nutzer kann einen schwenkbaren Monitor ganz nah an sich heranziehen und das Bild bleibt auch bei kleineren Vergrößerungen scharf. Für den mobilen Einsatz bietet Reinecker Nutzern mit RP zudem das topolino capo.

Die schwedische Firma LVI zeigte aus der ebenfalls bereits bekannten MagniLink-Serie das MagniLink-Zip und das MagniLink S OCR. Das MagniLink Zip verfügt über einen 17"-Breitbild-Monitor und einen stabilen Kreuztisch. Obwohl es wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet werden kann, ist es für den ständigen Einsatz am Schreibtisch stabil genug. Doch laden die 8 kg Gewicht trotz vorhandener Transporttasche nicht zum ständigen Herumtragen ein. Zum MagniLink S OCR gehört eine Kamera, mit der eine Vorlage nicht nur vergrößert, sondern auch eingescannt werden kann. Der Vorteil ist, dass Text oder Grafik hinterher für die elektronische Weiterverarbeitung, z.B. in Word, zur Verfügung stehen. Die OCR-Kamera kann mit einer Distanzkamera, die z.B. Tafelbilder überträgt, kombiniert und an einen Laptop angeschlossen werden. Produkte von LVI sind in Deutschland bei fluSoft, Handy Tech, Hedo Reha-Technik und IPD erhältlich.

Auch das überarbeitete Bildschirmlesegerät MyReader der Firma Humanware scannt Texte ein und ist z.B. bei Baum, Eschenbach, Handy Tech und Hedo Reha-Technik erhältlich. Es werden damit zwar keine Dateien zur Weiterverarbeitung produziert, dafür wird trotz Laufschriftfunktion kein PC gebraucht. Bei der neuen Version können bis zu zehn Seiten gleichzeitig verarbeitet werden.

"E-Lupen"

Im Bereich der Vergrößerungskameras im Handtaschenformat, auch "E-Lupen" genannt, sind ebenfalls bereits bekannte Produkte verbessert worden. Viele der Geräte ähneln sich, die Leistungsunterschiede stecken im Detail. Beispiele hierfür sind das Compact+ von Tieman, die Quicklook von Ash Technologies, erhätlich z.B. bei Handy Tech und weimed und das SenseView von Baum. Die Displays aller drei Geräte sind 4,3" groß, das Gewicht liegt zwischen 221 g (SenseView) und 300 g (Compact+). Die Unterschiede liegen vor allem im Darstellungsbereich und bei der Betriebsdauer:

  • Compact+: maximal 10-fache Vergrößerung, Betriebsdauer bis zu drei Stunden mit zwei handelsüblichen AA-Batterien. Mit dem Gerät sind Schnappschüsse möglich, gegen Lichtreflexe ist die Beleuchtung abschaltbar.
  • Quicklook: Betriebsdauer mit einem Spezialakku 5 Stunden, bis zu 12-facher Vergrößerung in 56 Farbkombinationen.
  • SenseView: weniger Fehlfarbkombinationen, Vergrößerung bis 22,5-fach. Der Akku hält nach Herstellerangaben bis zu 4,5 Stunden.

Diese drei sind nur Beispiele für weitere, ähnliche Geräte. Das Opal von Freedom Scientific zoomt stufenlos bis zu einer 6,6-fachen Vergrößerung und kann auch an einen Fernseher angeschlossen werden, z.B. im Hotelzimmer. Diese Funktion bietet auch die im letzten Jahr vorgestellte Maxlupe Mini Plus der Firma Reinecker, die durch einen zusätzlichen Sender das Bild kabellos überträgt.

Eins haben die E-Lupen jedoch gemeinsam: Sie sind kein Ersatz für ein Bildschirmlesegerät. Für den mobilen Betrieb mit einem Laptop gibt es von verschiedenen Herstellern Handkameras, z.B. von Ash, Bierley, LVI oder Steller.

Unser Fazit zum Messebesuch

Wer bei sich seinem Besuch einer solchen Messe für Fein- und Besonderheiten interessiert, der konnte mit dem Top-Braille, dem Pronto QS und dem ALVA BC 640 ziemlich innovative Produkte entdecken. Vor Windows Vista und den neuen Office-Anwendungen muss man sich, soweit das so kurz nach Erscheinen beurteilt werden kann, nicht fürchten. Allerdings werden Umstellungsbereitschaft und Geduld auf Anwenderseite vonnöten sein.

Durch die stetig steigende Besucherzahl steigt der Lautstärkepegel in den Hallen. Daher wäre für einige alleinreisende blinde Besucher ein Guide für den ganzen Tag - gegen entsprechende Bezahlung - vermutlich hilfreich.

Das SightCity-Forum

Ein umfangreiches Rahmenprogramm bot das SightCity-Forum, organisiert von der Low-Vision-Stiftung und ACTO e.V. Täglich fanden hier Patientensymposien zum zentralen Thema AMD (Altersbedingte Makuladegeneration) sowie Vorträge und Podiumsdiskussionen statt.

Nach einem Patientensymposium zur Eröffnung am Mittwoch stellte Ina Oertel vom SFZ BBW Chemnitz das Projekt 1+11 vor. Die individuell auf den Klienten zugeschnittene Beratung richtet sich an blinde oder sehbehinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis gefährdet ist oder die bereits erwerbslos sind. Ziel ist die Umsetzung persönlicher Ziele zur Sicherung eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer beruflichen Neuorientierung.

Auf der Podiumsdiskussion "Berücksichtigung einer Sehbehinderung und Blindheit in der ambulanten und stationären Pflege und in der Ausbildung von Pflegepersonal" diskutierte Moderator Prof. Dr. Werner Wahl (Universität Heidelberg) mit Vertretern aus der Altenpflege. Es wurde deutlich, dass die Situation von sehbehinderten und blinden alten Menschen in der Pflege und in der Ausbildung des Pflegepersonals kaum eine Rolle spielt. Weiterhin wurde die schlechte augenärztliche Versorgung in Pflegeeinrichtungen bemängelt. Zu einer Verbesserung kann es nach Meinung der Teilnehmer erst durch eine Sensibilisierung für das Thema kommen.

Am zweiten Messetag ging es um die Qualität der Beratung für blinde und sehbehinderte Menschen. In der Podiumsdiskussion "Qualifizierte Beratung in der Selbsthilfe, Ansätze und Lösungswege für einheitliche und flächendeckende Beratungsstandards" sprach Thomas Lilienthal von INCOBS mit Vertretern deutscher und schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverbände. Anders als in der Schweiz sind in Deutschland hauptsächlich ehrenamtliche Berater tätig. Das Angebot ist weder einheitlich noch flächendeckend, die Qualitätsunterschiede in der Beratung sind groß. Für eine bundesweite Qualitätssicherung werden nach Aussage der Verbandsvertreter derzeit bundesweite Standards durch den DBSV erarbeitet. Eine Grundlage dafür liefert ein Fortbildungskonzept des BBSB zur Qualifizierung ehrenamtlicher Berater. Dieses Fortbildungskonzept mit Abschlusszertifikat gibt den ehrenamtlichen Beratern Sicherheit bei ihrer Tätigkeit und schafft die gewünschten Qualitätsstandards. Künftige Themen für die Weiterentwicklung der Beratung sind die Aufgabenverteilung von haupt- und ehrenamtlicher Beratung, neue medizinische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Mit dem Entwicklungsstand von GPS-Navigationstechnik und ihren Folgen beschäftigte sich der nachfolgende Vortrag: "Sozialtherapeutischen Implikation - Chancen und Möglichkeiten der Navigation." Ein gut entwickeltes Navigationssystem kann, so der Vortragende Dr. Klaus Mönkemeyer, für Sehbehinderte interessant sein. Zur Zeit ist eine Führung durch ein GPS jedoch noch problematisch, gerade in größeren Städten. Empfangsprobleme durch dichte Bebauung und in Tiefgaragen, Probleme an Ampeln und Baustellen oder verstellte Gehwege können hier zum Abbruch der Navigation führen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion "Die Auswirkungen des neuen Hilfsmittelkataloges auf die Versorgung von blinden und sehbehinderten Menschen" am Freitag wurde deutlich, dass die positiven und negativen Auswirkungen der Gesundheitsreform im Bereich der Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte noch nicht absehbar sind. Viele Teilnehmer befürchteten, dass die Qualität der Versorgung gefährdet sei, beispielsweise durch die Praxis der Ausschreibung. Als wichtig wurde die Gesprächbereitschaft auf allen Seiten und eine Stärkung der Beratung - auch durch die Krankenkassen - hervorgehoben.


Auf dieser Seite kommen 12 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Bildschirmlesegeräte, Bluetooth, Braille, Braillemodul, Braillezeilen, Feature, Kreuztisch, Monitor, Screenreader, Sprachausgabe, Symbian und Vergrößerungssoftware.


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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?