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Großbildsysteme im Test 2002

von Heike Clauss und Karsten Warnke, INCOBS 2002

Großbildsysteme, auch Vergrößerungssysteme genannt, ermöglichen Menschen mit Sehbehinderung die Arbeit am Computer. Sie vergrößern das Computerbild und erlauben die Steuerung des vergrößerten Bildausschnitts. Die meisten Systeme verfügen darüber hinaus über spezielle Farb- und Kontrasteinstellungen, verschiedene Lupenformen und eine Laufschrift.

Im Rahmen des INCOBS-Projekts (Informationspool Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte) wurden die sieben an Arbeitsplätzen verbreitetsten Großbildsys-teme getestet . Überprüft wurde die technische Ausstattung sowie die Zugänglichkeit des Betriebssystems MS Windows 98 und des Textverarbeitungsprogramms MS Word 2000.

Bei der Entwicklung der Testinstrumente wurde von Anwendern ausgegangen, die mausorientiert ohne Sprachausgabenunterstützung mit einem Vergrößerungsbedarf zwischen 1,5fach und 6fach (bezogen auf einen 21-Zoll-Monitor) arbeiten. In späteren Tests sollen die Anforderungen ausgeweitet werden.

Aus der Fülle der im Test gewonnenen Informationen können hier nur die wichtigsten Ergebnisse herausgegriffen und erläutert werden. Die Testergebnisse in detaillierter Form sind abzurufen auf den INCOBS-Internetseiten: www.incobs.info.

Zum Stand der Technik

Vergrößerung

Neben der üblichen maximalen Vergrößerung von 16 und 20fach gibt es inzwischen schon Systeme, die mit einer 32 bzw. 48fachen Vergrößerung arbeiten. Allerdings dürfte ein effizientes Arbeiten ohne Sprachausgabe und ohne Braillezeile bei einer solchen Vergrößerung kaum möglich sein.

In der Regel kann der Vergrößerungsfaktor meist abgestuft in Einerschritten einge-stellt werden, ab 8facher Vergrößerung oft nur in Zweierschritten. Den unterschiedlichen Sehanforderungen wird das nicht immer gerecht. Wünschenswert wäre eine beliebig skalierbare Vergrößerung, etwa mit Zwischenwerten.

Bildwiedergabe

Arbeiten ohne Kopfschmerzen - das erfordert eine Bildwiedergabe ohne Verzöge-rung und Ruckeln. Wie der praktische Test zeigt, gewährleisten das inzwischen auch alle Systeme. Überprüft wurden außerdem Inversdarstellung und Kantenglättung. Zwar ist letztere bei einigen Systemen noch verbesserungsbedürftig, insgesamt schnitten aber alle Produkte sehr akzeptabel ab.

Ausstattung

Ausstattungsmerkmale wie frei positionierbare Vergrößerungsfenster, Bildschirmtei-lung und speicherbare Profile sind inzwischen bei allen Großbildsystemen anzutref-fen. Auch eine Laufschrift ist heute Usus. Die bequeme Dokumentlesefunktion bietet allerdings nur ein getestetes Produkt an: ZoomtextXtra. Nach Nutzerangaben erweist sich diese im Alltag leider nicht immer als stabil.

Hilfen

Abschließend unsere Kritik zu den Onlinehilfen der Vergrößerungssysteme: Die Produkte besitzen entweder keine oder nur unzureichende Onlinehilfen mit unvollständi-gen oder schlecht aufbereiteten Hilfethemen. Tipp für die Hersteller: Eine Kontexthilfe wäre wünschenswert.

MS Word 2000 - "einfache Textverarbeitung"

Zum Test von MS Word haben wir zunächst Aufgaben aus der einfachen Textverar-beitung gewählt. Hierzu zählen beispielsweise das Bearbeiten und Formatieren von Text. Unter diesen "Überschriften" verbergen sich natürlich eine Vielzahl einzelner Arbeitsschritte. So beinhaltet das Bearbeiten von Text den Gebrauch von verschiedenen Menübefehlen sowie das Markieren und Einfügen von Textbausteinen. Insgesamt kam ein Fragenkatalog mit über 70 Testaufgaben zustande.

Diese Aufgaben wurden mit jedem Großbildsystem abgearbeitet. Interessiert hat uns dabei, ob die Bildschirminhalte so wiedergegeben werden, dass der Nutzer stets das aktuelle Geschehen verfolgen, kontrollieren und beeinflussen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass das Zoomfenster bei allen Arbeitsschritten zuverlässig dem Programmfokus folgt.

Problemlos funktionierte die Cursorverfolgung bei Bewegungen im Fließtext, also z.B. beim Sprung zum Zeilenende oder nach Einfügen einer neuen Seite. Auch bei der Führung des Zoomfensters über den Bildschirm gab es bei den Testkandidaten kaum Probleme. Bei einigen aufwendigeren Programmaktionen kam es jedoch zu unerwünschten Fehlreaktionen:

  • Beim Gebrauch von Menübefehlen und Symbolschaltern verbliebt das Zoomfens-ter in der Menüzeile, statt nach Abschluss der Aktion wieder in den Text zurückzuspringen. Nur zwei der sieben Produkte hatten keine Schwierigkeiten bei unseren Testaufgaben.
  • Auch das Markieren mit der Tastatur bereitete Probleme. Bei unserer Aufgabe sollte die Markierung in Schritten - nach Betätigen der F8-Taste - z. B. zum Zeilen- und Textende erweitert werden. Gerade bei diesen grundlegenden Funktionen von Word wiesen alle Systeme Mängel auf.
  • Großbildanwender können weiterhin die Funktion Suchen und Ersetzen nicht in vergleichbarer Form nutzen wie die "Normalsichtigen". Wünschenswert wäre eine Zusatzfunktion des Großbildsystems, die ermöglicht, dass das Zoomfenster nach erfolgreicher Suche zum markierten Wort springt. Nur so kann ohne größerem Navigationsaufwand kontrolliert werden, ob das gefundene Wort tatsächlich ersetzt werden soll.

Problemlos erwies sich dagegen die Nutzung von Word-Shortcuts. Shortcuts erleichtern besonders das Formatieren von Text, denn sie kürzen den Weg über Menüs und Dialoge erheblich ab. Wichtig ist, dass die Word-Shortcuts ohne Einschränkungen durch eine Belegung der Tasten durch das Vergrößerungsprogramm bedient werden können. Konflikte traten hier nur bei 2 Produkten auf, die sich allerdings durch eine Anpassung der Großbild-Shortcuts beheben ließen.

Nachdem ein Dokument fertiggestellt ist, wird es in der Regel abgespeichert. Wir ha-ben getestet, wie die Großbildsysteme mit der Funktion Speichern unter zurechtkommen. Leider sieht das Ergebnis nicht besonders erfreulich aus: Bei 4 von 7 Systemen ist diese Funktion nicht fehlerfrei nutzbar. So zeigte das Zoomfenster beispielsweise nicht den Auswahlbalken im aufgeklappten Listenfeld "speichern in" an.

Nach Abschluss des Word-Tests ergab sich für uns folgendes Fazit: Großbildsysteme machen Texte zugänglich und lesbar, allerdings weisen sie bei der Bearbeitung derselben noch Mängel auf. Nicht selten mussten die Testpersonen mit der Maus "nachnavigieren", da die Verfolgung des Cursors nicht hundertprozentig funktionierte.

Arbeiten mit Windows 98

Im Betriebssystem MS Windows haben wir die wichtigsten Funktionen der Großbildsysteme überprüft: Windows-Bedienelemente, Systemprogramme und die DOS-Eingabe.

Die Nutzung der Bedienelemente, wie Startmenü, Quickinfo und Kontextmenüs erfolgte bei allen Großbildsystemen reibungslos. Probleme gab es hingegen bei der Bedienung von Aufklappmenüs. Getestet wurde, ob das Zoomfenster dem Aufklappen von Listenfeldern mit der Maus und den Bewegungen durch diese Listen mit den Cursortasten folgt. Was auch schon beim Navigieren in Dateilisten festzustellen war: nicht immer folgt das Zoomfenster zuverlässig zur Liste bzw. dem Auswahlbaken.

Die Dateiverwaltung unter Windows findet maßgeblich im Windows Explorer statt. Wir haben daher getestet, ob das Zoomfenster den Mausaktionen, (z.B. Scrollen und Ziehen) und der Tastatur zuverlässig folgt. Den Großbildsysteme bereitete dies in der Regel keine Schwierigkeiten. Bei der Testaufgabe "Suchen und Kopieren einer Datei" ergaben sich nur bei 3 Produkten leichte Einschränkungen.

Obwohl das Betriebssystem MS DOS immer wieder totgesagt wird, greifen gerade sehbehinderte Anwender noch gern auf DOS-Programme zurück. Deshalb haben wir gefragt, ob im Zoomfenster der Großbildsysteme die DOS-Eingabeaufforderung vergrößert angezeigt wird und ob die Tastatureingaben verfolgt werden. Dies glückte bei allen System einwandfrei.

Fazit

Großbildsysteme sind technisch bereits sehr ausgereift: Ruckelfreie Bildbewegung auch bei starker Vergrößerung, Kantenglättung, Laufschrift, individuelle Positionierung von weiteren Zoomfenstern, all dies erleichtert sehbehinderten Computernutzern wesentlich die Arbeit am Bildschirm.

Probleme gibt es jedoch immer noch im Zusammenspiel mit den Anwendungsprogrammen. Wie der Test von MS Word zeigt, funktioniert die Cursorverfolgung bei der Textverarbeitung häufig nicht einwandfrei. Für die Anwender bedeutet das: Zeitraubendes Nachführen der Maus, das die Augen zusätzlich belastet.

Von diesen Mängeln behaftet sind alle getesteten Produkte, die Unterschiede liegen im Detail. Anwender sollten deshalb vor der Entscheidung für ein Produkt die individuellen Arbeitsschwerpunkte und Voraussetzungen genau abklären und mit den Produktgegebenheiten abstimmen.

Für die Zukunft wäre wünschenswert, dass sich die Entwickler von Großbildsystemen intensiver an den Funktionsweisen von Screenreadern orientierten. Zu nennen sind hier beispielsweise eine Dokumentlesefunktion mit Spaltenerkennung und optimierte sehbehindertenspezifische Darstellungsmöglichkeiten, insbesondere für Webseiten.


Auf dieser Seite kommen 9 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Braillezeilen, Cursor-Routing, DOS, Laufschrift, Quickinfotext, Shortcut, Sprachausgabe, Vergrößerungssoftware und Zugänglichkeit.


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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?