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Lesesprechgeräte

von Heike Clauss, INCOBS 2003

Ob es der neue Harry Potter Band ist oder eine aktuelle Zeitschrift, auch blinde oder stark sehbehinderte Menschen brauchen auf den Genuss des Lesens nicht zu verzichten. Sie lassen sich gedruckten Text einfach vorlesen. Möglich ist dies durch ein spezielles elektronisches Hilfsmittel: das Lesesprechgerät.

Lesesprechgeräte werden häufig auch Vorlesesysteme oder Scanner-Lesesysteme genannt. Damit wird die Funktionsweise bereits deutlich: das Buch bzw. das zu lesende Schriftstück wird mit einem Scanner eingescannt und anschließend von einer Sprachausgabe wiedergegeben. Dazwischen geschaltet ist eine Texterkennungssoftware, die sogenannte OCR-Software, die die eingescannten Zeichen für die Sprachausgabe interpretiert. Auf diese Weise können neben Büchern und Zeitschriften auch Bankauszüge, Rechnungen und andere alltäglich anfallende Schriftstücke gelesen werden. Lesesprechgeräte werden als offene oder geschlossene Systeme angeboten: Geschlossene Lesesprechgeräte enthalten alle Komponenten in einem abgeschlossenen Gehäuse. In dieser Form werden sie von den Krankenkassen als Lesehilfe finanziert.

Offene Lesesysteme werden auf einem Personalcomputer installiert. Gedruckte Texte können somit nicht nur vorgelesen und gespeichert werden, sie können auch weiter verarbeitet werden.

Welches Gerät ist für wen geeignet?

Frau Meyer besitzt schon seit einiger Zeit ein geschlossenes Lesesprechgerät. Es besitzt in etwa die Größe eines Videorecorders. Sie schaltet das Gerät ein und legt ein Buch auf die Glasfläche des Scanners. Nun braucht Sie nur auf die "Start"-Taste zu drücken und nach kurzer Zeit liest eine weibliche Stimme den Text der ersten Seite vor. Mit einem anderen Schalter reguliert Frau Meyer die Lautstärke. Die Bedienung ist also ganz einfach und ähnlich aufgebaut wie bei einem Kassettenrecorder. Neben der Abspieltaste gibt es noch Schalter zum Vor- und Zurückspulen und eine Taste zum Anhalten der Sprache.

Einfache Bedienung und wenige, große Tasten - mit diesen Eigenschaften sind geschlossene Lesesprechgeräte häufig auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt.

Aber auch Anwender, die zusätzliche Funktionen wünschen, hierzu zählt vor allem das Abspeichern des eingescannten Textes, kommen bei geschlossenen Systemen auf ihre Kosten. So kann mit komplexeren Geräten ein umfangreiches Dokumentenarchiv angelegt und verwaltet werden.

Wer das Lesesprechgerät also privat nutzen möchte und keinen Computer besitzt, für den bieten sich geschlossene Systeme an - zumal diese auch von der Krankenkasse finanziert werden.

Der PC-Arbeitsplatz von Frau Neumann ist mit einem offenen Vorlesesystem ausgestattet. Offene Systeme bestehen aus den Komponenten PC, Scanner, Texterkennungs-Software und Sprachausgabe. Ein typischer Blindenarbeitsplatz umfasst in der Regel noch eine Screenreader-Software zum Auslesen von Windowsprogrammen sowie eine Braillezeile.

Diese Kombination bietet zahlreiche Vorteile: Frau Neumann kann sich den eingescannten Text nicht nur vorlesen lassen, sondern ihn auch mit einem herkömmlichen Textverarbeitungsprogramm abspeichern. So hat sie die Möglichkeit, den Text weiter zu bearbeiten, z.B. Ergänzungen hinzuzufügen. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Frau Neumann den Text zusätzlich mit ihrer Braillezeile lesen kann. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn der Text in verschiedene Spalten oder Tabellen unterteilt ist. Hier sorgt die Braillezeile für eine bessere Orientierung.

Was leisten die Geräte - wo gibt es Grenzen?

Wesentliches Kriterium für die Leistungsfähigkeit von Lesesprechgeräten ist die präzise Erkennung der eingescannten Textvorlage. Mit anderen Worten: die Sprachausgabe muss genau den Text vorlesen, der auf der Vorlage ausgedruckt ist. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie die integrierte Texterkennungssoftware (OCR). Im allgemeinen funktioniert das fehlerlose Vorlesen eines fortlaufenden Textes, z.B. eines Buches, sehr gut, eine 100 %ige Erkennung kann jedoch kein System garantieren.

Probleme können vor allem bei "schwierigen" Vorlagen auftreten:

  • Obwohl eine Spaltenerkennung zum Einlesen von Tabellen heute Standard ist, gibt es immer noch Probleme bei Zeitschriftenlayouts mit eingestreuten Bildern, kleinen Tabellen und Infoboxen.
  • Schräglagen, schwache Kopien, dicke Bücher gehören zu den Schwierigkeiten, die OCR-Software bereits automatisch ausgleichen kann. Grundsätzlich aber gilt: Je heller das Original und je unsauberer die Vorlage, desto schwieriger wird es für die Erkennungssoftware, die einzelnen Buchstaben zu identifizieren. Eine Grenze sind mehrfarbige Vorlagen. Oftmals hilft eine manuelle Einstellung des Scanners (Kontrast, Auflösung etc.).
  • Diskrete Daten - Zahlen, Kunstworte, Kombinationen aus Ziffern und Buchstaben - müssen immer kontrolliert werden. Da die OCR-Software wesentlich auf der Wahrscheinlichkeit von Wörtern basiert, stellen diskrete Daten eine prinzipielle Schwierigkeit dar. Wenn die Belege zudem in schlechter Druckqualität vorliegen, ist die Gefahr von Fehlinterpretationen gegeben.
  • Das Erfassen von Handschrift ist noch nicht möglich. Einige Lesesysteme können jedoch exakt geschriebene Blockschrift erfassen.

Auch dem Lesen der großen Tages- oder Wochenzeitungen sind Grenzen gesetzt, denn üblicherweise sind Lesesprechgeräte mit DIN A4-Scannern ausgestattet. Der blinde Anwender kann natürlich nicht beurteilen, welchen Ausschnitt der Seite er einscannen muss. Für interessierte Zeitungsleser werden daher inzwischen auch DIN A3-Scanner angeboten. Es empfiehlt sich aber, zu überprüfen, ob diese Art des Zeitungslesens auf die Dauer praktikabel ist. Vernetzte Computernutzer haben es hier einfacher, sie können die aktuellen Meldungen im Internet lesen.

Worauf zu achten ist

Geschlossene Systeme

Bedienung

Für viele Nutzer von geschlossenen Systemen ist die leichte Bedienbarkeit des Gerätes ausschlaggebend. Für Anwender mit feinmotorischen Problemen sind große Tasten in speziellen, taktil gut zu unterscheidenden Formen erhältlich. Diese vereinfachten Tastaturen reichen aber nicht aus, um komplexe Aufgaben auszuführen, z.B. um ein Dokumentenarchiv zu verwalten. Einige Produkte enthalten sprachgestützte Benutzeroberflächen und bieten die Möglichkeit, den Dokumentennamen in ein Mikrofon zu sprechen.

Papierverarbeitung

Geschlossene Lesesprechgeräte enthalten üblicherweise einen Flachbettscanner, auf den einzelne Blätter aufgelegt werden können. Wer größere Mengen bearbeiten möchte, für den empfiehlt sich der Einsatz eines automatischen Vorlageneinzugs. Spezialscanner mit Buchanlegekante waren früher bei Lesesprechgeräten bekannt, haben sich aber auf dem allgemeinen Markt nicht durchgesetzt.

Sprachausgabe

Geschlossene Systeme sind oftmals mit einer besonders gut verständlichen Sprachausgabe ausgestattet. Je natürlicher Sprachklang und Satzmelodie, desto leichter hört sich ein technikungewohnter Anwender ein und desto weniger ermüdend ist das Anhören längerer Texte. Nachteil ist dagegen, dass sie nur träge auf die Bedienung reagieren und dass die Sprechgeschwindigkeit nur unwesentlich gesteigert werden kann. Geübte Anwender bevorzugen aus diesen Gründen die eher synthetisch klingenden Sprachausgaben. Wichtig ist daher, dass das Lesesprechgerät mehrere Sprachen zur Auswahl hat oder später nachgerüstet werden kann.

Wenn möglich, sollte man vor der Entscheidung für ein Gerät mehrere Sprachausgaben anhören und hinsichtlich der folgenden Punkte prüfen:

  • Verständlichkeit
  • Klangvariationsmöglichkeit
  • Reaktionsgeschwindigkeit
  • Sprachangebot (Englisch, Deutsch, Spanisch, etc.)
  • Fehlerquote (Werden beispielsweise Fremdwörter häufig falsch ausgesprochen oder nur buchstabiert?)

Offene Systeme

Die Komponenten

Offene Systeme bestehen aus den Komponenten PC, Scanner, Texterkennungs-Software und Sprachausgabe. Erwirbt man ein abgestimmtes System, so sorgt der Anbieter für die Kompatibilität der einzelnen Bestandteile. Die Komponenten können aber auch individuell zusammengestellt werden. Dann sollte man sich sachkundig machen, welche Bestandteile kombiniert werden können.

Software

Die Software der Lesesysteme leistet zum einen die zentrale Texterkennung, auch OCR genannt. Wichtig sind aber auch die mit dem Einlesen verbundenen Arbeitsabläufe. Der Anwender kann zwischen einer handelsüblichen und einer speziell für Blinde entwickelten Software wählen. Diese informiert den Anwender auch während des Scanvorgangs über die einzelnen Arbeitsschritte. Neben der komfortablen Benutzeroberfläche gibt es eine eigene Bibliotheksverwaltung, in der die Dokumente abgespeichert werden können, und oftmals auch eine eigene, einfache Textverarbeitung.

Braillezeile

Beherrscht der Anwender die Brailleschrift, empfiehlt sich der Einsatz einer Braillezeile zur Darstellung der Textinhalte. Voraussetzung ist ein vorhandener Screenreader, denn die Software der Lesesysteme bietet in der Regel nur Sprach- und keine Brailleunterstützung.

Großbildsystem

Wer noch über einen verwertbaren Sehrest verfügt, für den kommt auch die Anbindung eines offenen Lesesprechgeräts an ein Großbildsystem in Frage. Der eingescannte Text kann dann auf dem Monitor in Großschrift gelesen werden.

Finanzierung

Bildschirmlesegeräte sind anerkannte Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen finanzieren, wenn andere Kostenträger nicht in Frage kommen und der Augenarzt das Bildschirmlesegerät verordnet hat. Zwischen den Krankenkassen bestehen durchaus Unterschiede in der Qualität der Versorgung. Zunehmend wird aus dem Hilfsmitteldepot versorgt, d.h. die Kassen lagern nicht mehr benötigte Geräte ein, reparieren diese bei Bedarf und stellen sie dann den Versicherten zur Verfügung. Bei der Depotversorgung können individuelle Anforderungen an Leistung und Handhabbarkeit des Bildschirmlesegerätes durchaus zu kurz kommen. Dem steht der Rechtsanspruch der Krankenversicherten auf individuelle, bedarfsgerechte Versorgung entgegen. Unabhängige Beratungsstellungen unterstützen Sie bei Problemen.



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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?