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Bildschirmlesegeräte

von Heike Clauss, Rita Schwörer und Karsten Warnke, 2001

Einleitung

Ob zu Hause oder am Arbeitsplatz, ein Leben ohne Computer, Internet und E-Mail ist für viele schon gar nicht mehr denkbar. Auch blinde und sehbehinderte Menschen können von den elektronischen Medien profitieren - Voraussetzung: geeignete Hilfsmittel sind vorhanden.

In lockerer Folge wollen wir über elektronische Hilfsmittel und Computerhilfsmittel informieren und dabei Tipps und Hinweise für Anwender und Berater geben. In dieser Folge: Bildschirmlesegeräte.

"Endlich kann ich mal wieder ein Kreuzworträtsel lösen", seufzt Gertrud K. erleichtert. "... mit meiner Brille konnte ich ja gar nichts mehr lesen". Die wieder gewonnene Fähigkeit verdankt die Rentnerin einem Bildschirmlesegerät, das soeben in ihrem Wohnzimmer aufgestellt wurde.

Bildschirmlesegeräte sind elektronische Sehhilfen, die Schriftstücke oder auch andere "kleine" Dinge mit einer Kamera aufnehmen und stark vergrößert auf einem Monitor darstellen. Was Brillen oder Lupen nicht mehr leisten - nämlich eine mehr als 8fache optische Vergrößerung von Schriftzeichen - ,ist für eine elektronische Sehhilfe kein Problem. Mit ihr kann ein Abbildungsmaßstab bis 1:60 erreicht werden.

Frau K. legt nun den Beipackzettel ihres Rheuma-Medikaments auf den Kreuztisch des Geräts. Mit einem Schlitten schiebt sie ihn hoch und runter, nach rechts und nach links. Der jeweils aufgenommene Textausschnitt wird sofort auf dem Monitor übertragen.

Bildschirmlesegeräte sind aber nicht nur für die Anwendung zu Hause gedacht, sie gehören ebenso zur professionellen Arbeitsplatzausstattung hochgradig Sehbehinderter. Sogenannte "Kamerasysteme" - Bildschirmlesegeräte ohne eigenen Monitor - können an einen vorhandenen Computer angeschlossen werden. Briefe, Bücher, Bankauszüge oder andere Arbeitsunterlagen werden dann auf dem Computermonitor wiedergegeben.

Welches Gerät ist geeignet?

Auf dem Markt sind heute Bildschirmlesegeräte in den unterschiedlichsten Ausführungen. Ohne gute Beratung stehen zukünftige Anwender dieser Vielfalt jedoch eher ratlos gegenüber.

Bei der Auswahl eines Produkts ist zunächst die Sehbehinderung entscheidend. Bildschirmlesegeräte sind nicht nur geeignet wenn eine optische Vergrößerung notwendig ist, sie können auch bei erhöhtem Kontrastbedarf sinnvoll sein. Wichtig ist, dass das Gerät auf das jeweilige Krankheitsbild abgestimmt ist.

Allein der augenärztliche Befund reicht aber nicht aus, um auf ein passendes Gerät zu schließen. Es kommt auch darauf an, wofür das Bildschirmlesegerät eingesetzt werden soll. Für das Lesen von Schriftstücken können andere Anforderungen gelten als beim Betrachten von Fotos.

Beratungsstelle ausuchen!

Eine Faustregel für die Auswahl eines geeigneten Geräts gibt es nicht, die Entscheidung muss jeweils im Einzelfall getroffen werden. Es empfiehlt sich daher unbedingt, vor dem Kauf eine unabhängige Beratungsstelle aufzusuchen. Diese sind häufig in Augenkliniken angesiedelt und verfügen über eine große Auswahl von Hilfsmitteln. Neben Information und Beratung bieten sie den Patienten Erprobungsmöglichkeiten an. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverein e.V. gibt Auskunft darüber, wo sich Ihre nächstgelegene Beratungsstelle befindet.

Worauf beim Kauf zu achten ist

Um eine gesundheitliche Belastung durch das Bildschirmlesegerät auszuschließen, ist eine Erprobung über mehrere Stunden oder Tage wichtig. Fragen Sie bei Ihrem Anbieter nach, ob er Ihnen ein Gerät für einige Zeit leihweise überlässt. Verlangen Sie auch eine ausführliche Einweisung in die Handhabung des Produkts.

Auf einige Kriterien sollten Sie auf jeden Fall achten:

  • Bildwiederholfrequenz: Im Normalfall gilt eine Bildfrequenz von 70 Hz als flimmerfrei. Sehbehinderte benötigen oftmals höhere Werte, um das Bildschirmflimmern nicht mehr wahrzunehmen. Die neueste Gerätegeneration arbeitet mit einer Bildfrequenz von bis zu 120 Hz. Wenn dies nicht ausreicht, empfiehlt sich ein vollständig flimmerfreier TFT-Bildschirm. Allerdings haben TFT-Bildschirme den Nachteil, dass beim schnellen Lesen die Zeichen verwischen.
  • Beleuchtung: Blendempfindliche Menschen können durch die Ausleuchtung der Arbeitsfläche unterhalb der Kamera beeinträchtigt werden. Diese Blendung lässt sich durch eine Infrarotbeleuchtung vermeiden. Auch eine kontrastreiche Schwarzweiß- oder Weißschwarzdarstellung kann eine Blendwirkung haben. Hier können Geräte mit Semicolordarstellung von Vorteil sein. Diese Geräte erlauben Farbkombinationen wie z.B. gelb auf blau, gelb auf schwarz bei gleichzeitiger Reduzierung von Helligkeit und Kontrast
  • Kontrastverstärkung: Eine kontrastreiche Darstellung ist bei den meisten Sehbeeinträchtigungen wichtig, damit die Konturen von Zeichen gut erkannt werden. Dies wird durch eine spezielle elektronische Kontrastverstärkung erreicht. Farbgeräte erreichen technisch bedingt nicht so hohe Kontrastwerte wie Schwarzweißgeräte.
  • Farben: Monochrom- / Semicolor- / Echtfarbdarstellung: Standard sind Schwarzweiß-Bildschirmlesegeräte. Bei Monochromgeräten wird eine Farbkombination, z.B. von grün/schwarz oder bernstein/schwarz, dargeboten. Geräte mit Semicolordarstellung bieten ca. 10 wählbare Zweifarbenkombinationen wie gelb auf blau, grün oder gelb auf schwarz usw. Die Auswahl zwischen mehreren Semicolorfarben soll dem Ermüden der Augen entgegenwirken und erhöht bei einigen Sehbehinderungen den Kontrast, ohne eine Blendung zu bewirken. Eine Farbumkehr ist bei allen Geräten möglich. Echt- bzw. Vollfarbendarstellung bewirkt die Abbildung der Originalfarben einer Vorlage, z.B. von Landkarten oder Farbfotos.
  • Autofokus und Motorzoom: Geräte mit Autofokus (automatische Scharfeinstellung) und Motorzoom (zur Einstellung der Vergrößerung) erleichtern die Handhabung. So muss, z.B. nach Umblättern einer Buchseite, die Schärfeneinstellung nicht mehr per Hand durchgeführt werden.
  • Abstand zur Arbeitsfläche: Soll das Gerät nicht nur zum Lesen von Texten eingesetzt werden, sondern auch zum Schreiben oder Handwerken, ist ein ausreichender Abstand zwischen Kamera und Arbeitsfläche wichtig. Bei einigen Geräten kann man den Kreuztisch ohne viel Aufwand entfernen. Offene Systeme, bei denen Monitor und Kamera getrennt sind, bieten grundsätzlich mehr Platz zum Hantieren.
  • Bedienung: Der erfolgreiche Einsatz eines Bildschirmlesegerätes hängt auch von der einfachen Bedienbarkeit ab. Ein einfaches Schwarzweißgerät kommt mit 4 Bedienelementen aus, mit denen z.B. die Vergrößerung und der Kontrast geregelt werden. Einfachste Bedienung der Geräte kommt insbesondere Senioren entgegen. Wichtig ist, dass die Bedienelemente erhaben, griffig und farbig abgesetzt und sinnvoll nach Wichtigkeit der Funktionen angeordnet sind.

Gerätetypen für verschiedene Nutzungssituationen

Stationäre Kompaktgeräte

Bei den Kompaktgeräten bilden Bildschirm, Kamera und Kreuztisch eine Geräteeinheit. Kompaktgeräte sind relativ platzsparend und verfügen meist über nur wenige Bedienelemente. Damit kommen sie vor allem den Bedürfnissen von Senioren entgegen.

Offene Systeme mit und ohne "PC-Schnittstelle"

Bei den offenen Systemen wird der Bildschirm neben der Kamera aufgestellt. Somit kann unter der Kamera gut geschrieben und hantiert werden. Es gibt auch Kamerasysteme, die an einen PC angeschlossen werden können. Das aufgenommene Bild wird dann auf den Computermonitor übertragen.

Tafellesegeräte für den Unterricht

Spezielle Tafellesegeräte ermöglichen es sehbehinderten SchülerInnen und Studierenden, dem Unterricht visuell zu folgen. Tafellesegeräte verfügen über eine Nah- und eine Fernkamera sowie über eine Bildschirmteilung. Mittels eines schwenkbaren Kamerakopfes kann das Tafelbild oder die Durchführung eines Experiments verfolgt werden.

Portable Geräte für den Einsatz unterwegs

Tragbare Bildschirmlesegeräte, auch Elektronische Lupen genannt, gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Sie wiegen meist unter 5 kg und können auch netzunabhängig mit Akkus betrieben werden. Portable Geräte sind üblicherweise mit Flachbildschirm und Handkamera ausgestattet. Einige Geräte lassen sich an das Fernsehgerät oder den PC anschließen.

Finanzierung

Bildschirmlesegeräte sind anerkannte Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen finanzieren, wenn andere Kostenträger nicht in Frage kommen und der Augenarzt das Bildschirmlesegerät verordnet hat. Zwischen den Krankenkassen bestehen durchaus Unterschiede in der Qualität der Versorgung. Zunehmend wird aus dem Hilfsmitteldepot versorgt, d.h. die Kassen lagern nicht mehr benötige Geräte ein, reparieren diese bei Bedarf und stellen sie dann den Versicherten zur Verfügung. Bei der Depotversorgung können individuelle Anforderungen an Leistung und Handhabbarkeit des Bildschirmlesegerätes durchaus zu kurz kommen. Dem steht der Rechtsanspruch der Krankenversicherten auf individuelle, bedarfsgerechte Versorgung entgegen. Unabhängige Beratungsstellungen unterstützen Sie bei Problemen.


Auf dieser Seite kommen 4 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Bildschirmlesegeräte, Elektronische Lupen, Kreuztisch und Monitor.


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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?