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Großbildsysteme im Test 2003

von Michaela Freudenfeld, INCOBS 2003

Testvoraussetzungen

Großbildsysteme, auch Vergrößerungssysteme genannt, ermöglichen Menschen mit Sehbehinderung die Arbeit am Computer. Sie vergrößern das Computerbild und erlauben die Steuerung eines vergrößerten Bildausschnitts. Die meisten Systeme verfügen darüber hinaus über spezielle Farb- und Kontrasteinstellungen, verschiedene Lupenformen und eine Laufschrift.

Für INCOBS ist dies bereits der zweite Großbildsystem-Test. Wie im Jahr 2001 wurden wieder sieben der an Arbeitsplätzen am häufigsten vertretenen Produkte getestet. Bei zwei dieser Produkte handelt es sich um Großbildmodule von Screenreadern, also keine unabhängigen Großbildsysteme im herkömmlichen Sinne (Blindows Vision und Supernova). Sie sind von der Leistung her aber mit normalen Großbildsystemen vergleichbar. Überprüft wurden die technische Ausstattung sowie die Zugänglichkeit des Betriebssystems Windows 2000 und der Textverarbeitung Word 2000.

Bei der Entwicklung der Testinstrumente wurde von Anwendern ausgegangen, die maus-orientiert ohne Sprachausgabenunterstützung mit einem Vergrößerungsbedarf zwischen 1,5fach und 6fach (bezogen auf einen 21-Zoll-Monitor) arbeiten. Aus der Fülle der im Test gewonnenen Informationen können hier nur die wichtigsten Ergebnisse herausgegriffen und erläutert werden.

Grundfunktionen: Vergrößerung - Farben - Bildwiedergabe

Die getesteten Großbildsysteme arbeiten meist mit einem Vergrößerungsumfang von 2- bis 16-facher Vergrößerung. Vereinzelt wird auch eine 32- bzw. 48-fache Vergrößerung erreicht. Allerdings dürfte ein effizientes Arbeiten ohne Sprachausgabe und ohne Braillezeile bei einer solchen Vergrößerung kaum möglich sein.

Die Vergrößerungsstufen bis 8-fach lassen sich in der Regel in Einer-, bei höheren Vergrößerungen in Zweierschritten einstellen. Beliebige individuelle Skalierungen mit Zwischenschritten, z.B. 4,5-fach, lassen sich bislang noch an keinem der Produkte vornehmen.

Bestimmte Farbeinstellungen können das Lesen von Bildschirminhalten erleichtern. Eine Farbumkehr gewährleistet jedes Produkt. Eigene Farbauswahlen können dagegen nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden.

Großbildsysteme vergrößern das Computerbild pixelweise. Bei sehr hohen Vergrößerungen hat dies normalerweise beeinträchtigende Auswirkungen auf die Bildwiedergabe. Pixelige Kanten oder eine sehr wackelige Bildwiedergabe muss ein Großbildsystem durch bestimmte Features, wie etwa der "Kantenglättung", kompensieren können. Letztere gehört heutzutage weitgehend zum Standard und funktioniert bei der Mehrheit der Produkte zuverlässig.

Eine durchgängig ruhige Bildwiedergabe kann nur ein Produkt garantieren. Bei den anderen Großbildsystemen kommt es zu geringfügigen Einschränkungen.

Spezialfunktionen:Lupen - Fenster - Lesefunktionen

So gut wie alle getesteten Großbildsysteme bieten eine zuverlässige Ausschnittsvergrößerung mittels einer "Vergrößerungslupe". Eine Ausnahme bilden die Großbildmodule der getesteten Screenreader. Bei diesen ist eine Vergrößerungslupe entweder nicht verfügbar oder nur eingeschränkt einstellbar. Das Gleiche gilt für die "horizontale Bildschirmteilung", die oft in Verbindung mit anderen Hilfsmitteln wie Bildschirmlesegeräten genutzt wird.

Eine erleichternde Orientierung durch ein "komprimiertes Originalbild" in einer Fensterhälfte des Bildschirms ist indes nur mit einem der getesteten Produkte einwandfrei möglich.

Beim Lesen von längeren Texten werden Nutzer von Großbildsystemen in der Regel von verschiedenen Lesefunktionen unterstützt. Die "Laufschrift" etwa hilft, einen Text kontinuierlich durchzulesen, indem in einem Bildschirmausschnitt der Text vergrößert "durchläuft". Fast alle Produkte verfügen über eine solche Laufschrift. Die Nutzung beschränkt sich allerdings vielfach aufs Vorlesen. Eine Fehlerkorrektur im Laufschriftmodus ist mit keinem der Produkte möglich.

Bedienung und Hilfe

In diesem Abschnitt testeten wir, inwiefern die Bedienung des Großbildsystems sehbehindertengerecht ist. Zur Steuerung des Großbildsystems stellen alle Produkte Shortcuts zur Verfügung, die auch nahezu uneingeschränkt nutzbar sind.

Die vom jeweiligen Nutzer favorisierten Einstellungen können in Form von individuellen Profilen bei allen Produkten abgespeichert werden. Teilweise sind sogar mehrere Profile speicherbar, so dass das System auch von mehreren Sehbehinderten individuell genutzt werden kann.

Die Installation der Produkte kann mit zwei Ausnahmen vom sehbehinderten Nutzer eigenständig vorgenommen werden. Die Hilfefunktionen zum Großbildsystem sind überwiegend in einer Online-Version abrufbar und bei allen Produkten in mindestens einer sehbehindertengerechten Form (entweder Großschrift oder digital) erhältlich.

Mit Windows 2000 arbeiten

Wichtige Windows-Bedienelemente

Während der Arbeit unter Windows ist die Bedienung und Kontrolle typischer Windows-Bedienelemente wichtig. Hierzu gehören zum Beispiel der "Anwendung-Wechseln-Dialog" über das Tastenkürzel "Alt+Tab". Eine einwandfreie Nutzung dieses Dialogs gewährleisten allerdings nur drei Produkte.

Ein anderes Bedienelement ist die sogenannte "Quick Info". Sie gibt dem Windows-Nutzer Auskunft über Programmsymbole oder Schaltflächen aller Art. Die Darstellung dieser Erklärungstexte ist mit jedem der getesteten Produkte möglich, jedoch werden längere Quick Info-Texte häufig abgeschnitten angezeigt. Leider haben nur zwei Produkte eine Lösung für dieses Problem.

Wichtige Systemmeldungen werden zwar bei allen Großbildsystemen angezeigt, jedoch lässt die Cursorverfolgung gerade in der wichtigen Anwendung "Taskmanager" bei den meisten Produkten noch zu wünschen übrig.

Wenn ein Großbildsystem installiert ist, dann sollte der Anwender sowohl den Start als auch das Beenden des PCs vergrößert kontrollieren können.

Beim Startvorgang ist dies leider erst bei einem Produkt der Fall. Das Beenden ist immerhin bei vier Produkten kontrollierbar.

Dos- und Windows-Systemprogramme

Zum Lieferumfang des Betriebssystems Windows 2000 gehören zahlreiche Programme für die Ausführung alltäglicher Aufgaben sowie für die Verwaltung und Problembehandlung des PCs. Aus der Fülle von Anwendungen wurden in unserem Test Aufgaben im Windows-Explorer, in der Windows-Hilfe, mit dem Taschenrechner und mit der Farbschema-Änderung in der Systemsteuerung einbezogen.

Im Großen und Ganzen verhalten sich fünf der getesteten Produkten im Zusammenspiel mit Systemprogrammen zufriedenstellend. Bei zweien sind die Probleme an einigen Stellen beträchtlich. So haben diese Produkte erhebliche Probleme beim Aufruf von Hilfetexten innerhalb der Windows-Hilfe.

Bei der Dateiverwaltung im "Windows-Explorer" schneiden alle Produkte recht gut ab. Probleme gibt es aber auch hier, wenn innerhalb der Explorer-Fenster Tasten wie "Pos1" oder Anfangsbuchstaben gedrückt werden, um zu bestimmten Dateien zu gelangen. Bei der Farbschema-Änderung kann es bei allen hin und wieder zu leichten Einschränkungen bei der Kantenglättung kommen und bei der Nutzung des Windows-Taschenrechners muss teilweise das Zoomfenster nachgezogen werden.

Das unter sehbehinderten Computernutzern weit verbreitete Arbeiten mit MS-DOS-Programmen funktioniert bei fast allen Produkten einwandfrei.

Insgesamt betrachtet ist das Arbeiten unter Windows 2000 mit den getesteten Großbildsystemen gut möglich. Vereinzelt kommt es in unseren Testaufgaben aber zum Verlust der Cursorverfolgung, was abgesehen vom unangenehmen "Nachnavigieren" per Maus auch Unsicherheiten in der Kontrolle der allgemeinen Systembedienung zur Folge haben kann.

Word 2000 - Grundfunktionen einer typischen Office-Anwendung

Text bearbeiten

Neben der Überprüfung der einfachen Cursorverfolgung in Word-Dokumenten gehört zum Test der Textbearbeitung auch die Anwendung der Rechtschreibprüfung, die Kontrolle von Markierungs- und Kopiervorgängen und die Word-Suchfunktion. Die Cursorverfolgung im Fließtext, die Ausführungen von Menübefehlen sowie die Rechtschreibkontrolle funktioniert bei fast allen Produkten einwandfrei. Wenn es zu Problemen kommt, betreffen diese meist das Wiederauffinden des Cursors im Text nach Abschluss einer der Aktionen.

Erhebliche Probleme haben nahezu alle Produkte bei der kontrollierten Markierung mittels Tastatur (Markierung erweitern mit Taste "Shift") sowie dem Einsatz der Word-Suchfunktion.

Text formatieren und speichern

Text-Formatierungen können in Word auf unterschiedliche Weise vorgenommen werden: Mit der Maus über Symbolschaltflächen oder über das Menü durch den Aufruf von Dialogfeldern. Häufig können hierzu auch Word-Shortcuts eingesetzt werden, was erfordert, dass diese nicht mit den Shortcuts der Großbildsysteme kollidieren. Diese Voraussetzung erfüllen alle Produkte.

Insgesamt klappt das Formatieren über das Dialogfenster besser als über die Symbolschalter - allerdings haben drei Produkte auch hier Probleme.

Der Speichervorgang ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung für das Arbeiten in Word und wurde hier detailliert unter die Lupe genommen, mit dem Ergebnis, dass nur zwei Produkte einen einwandfreien Vorgang gewährleisten - alle anderen weisen kleine und teils auch große Einschränkungen auf.

Auch für das Arbeiten mit Word 2000 lässt sich sagen, dass die Testprodukte eine oberflächliche Bedienung wie das Lesen und Schreiben von Texten gewährleisten. Bei einer detaillierteren Bearbeitung eines Word-Textes tauchen allerdings Probleme auf.

Fazit

Die von uns getesteten Großbildsysteme sind technisch gesehen auf einem zeitgemäßen Niveau: Kantenglättung, Laufschrift, Vergrößerungslupen und Farbumkehr gehören zum Standard.

Bei starker Vergrößerung ist die ruckelfreie Bildwiedergabe zwar leicht eingeschränkt - ein störungsfreies Arbeiten wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.

Wie schon im ersten INCOBS-Test im Jahr 2001, kommt es eher im Zusammenspiel mit gängigen PC-Anwendungen wie Windows und Word zu Problemen. Der Teufel steckt hier oft im Detail. So ist die einfache Cursorverfolgung im Fließtext unter Word bei allen Produkten gewährleistet. Wenn es aber zu konkreten Textverarbeitungsaufgaben wie z.B. der Kontrolle eines Markiervorgangs kommt, funktioniert die Cursorverfolgung nicht immer einwandfrei.

Ein reibungsloses Arbeiten unter Windows und Word kann keines der Produkte garantieren und neben den gemeinsamen Schwierigkeiten gibt es auch immer wieder Individualschwächen. Anwender sollten daher ihre Arbeitsweise kennen und diese bei der Auswahl eines Großbildsystems berücksichtigen. Die Gelegenheit eines Probe- / Vorführtermins des jeweiligen Favoriten kann hier sehr hilfreich sein und sollte auf jeden Fall wahrgenommen werden. Auch bieten die meisten Hilfsmittelhersteller Demo-Versionen ihrer Produkte zum unverbindlichen Testen an.


Auf dieser Seite kommen 9 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Braillezeilen, Cursor-Routing, Installation, Laufschrift, Screenreader, Shortcut, Sprachausgabe, Vergrößerungssoftware und Zugänglichkeit.


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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?