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SightCity 2004 - Mehr Aussteller, mehr Besucher - auch mehr innovative Hilfsmittel?

von Carsten Albrecht und Heike Clauss, INCOBS 2004

Waren im letzten Jahr noch einige Kenner der Szene skeptisch, ob sich die SightCity als größte Messe zu Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen etablieren würde, so sprechen die Zahlen der SightCity 2004 für sich. Insgesamt 61 Aussteller präsentierten mehr als 2.600 interessierten Besuchern im Sheraton Airport Hotel in Frankfurt vom 12. bis 14. Mai 2004 ihre Produkte und Dienstleistungen. Aber nicht nur wer im deutschsprachigen Raum Rang und Namen hat, gehörte zu den Ausstellern, auch Firmen aus den USA und Kanada flogen für diese Messe ein.

Es ist nun schon seit knapp drei Jahren Tradition, dass das INCOBS-Team auf seiner Homepage und in einschlägigen Zeitschriften über große Messen und Ausstellungen informiert. Wurde bisher überwiegend über Hilfsmittel für blinde Anwender berichtet, so werden in diesem Bericht Bildschirmlesegeräte für Sehbehinderte im Mittelpunkt stehen.

Braillezeilen - drahtlos

Mit Braillezeile und Tastatur mal eben für ein paar Notizen ins Nebenzimmer des Kollegen gehen - und der PC bleibt im Büro? Das wird demnächst mit einigen neuen Modellen der Zeilen von Baum Retec möglich sein. Diese Braillezeilen verfügen neben dem mittlerweile zum Standard gewordenen USB-Anschluss auch über einen Bluetooth-Anschluss. Durch Bluetooth-Technik ist es möglich, die Ein- und Ausgabegeräte wie Monitor und Tastatur drahtlos mit dem PC zu verbinden. Allerdings ist der Stromverbrauch bei Nutzung dieser Technik noch ein wenig hoch. Die Akkulaufzeit der Modelle SuperVario und PocketVario der Firma Baum Retec wird bei Bluetooth-Betrieb z. B. mit ca. 25, bei USB-Betrieb mit ca. 100 Stunden angegeben. Die Zeilen der Firma Handytech Braillino und die Braillestar-Serie sind ebenfalls bluetooth-fähig. Zeilenhersteller wie die Firmen Alva, Audiodata, Freedom Scientific, Papenmeier und Tieman werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch demnächst Zeilen mit Bluetooth-Funktion im Angebot haben.

Software, die Handys zum Sprechen bringt

Die Stände der Firmen Handy Tech und IPD fand der Besucher ohne sehende Hilfe, nicht nur, weil dort ständig Handys klingelten, nein, sie sprachen auch - dank TALKS. TALKS ist ein Screenreader für sehgeschädigte Handynutzer, welcher die Bildschirm- bzw. Displayinformationen eines Handys ausliest.

TALKS bietet laut Herstellerangaben folgende Funktionen:

  • Anrufe und Kontakte verwalten
  • Nutzung des Telefonbuchs
  • Terminverwaltung
  • Abfrage des Akku-Ladezustands
  • Tastenansage
  • SMS lesen und schreiben
  • E-Mail vorlesen und schreiben

Für folgende Handys ist TALKS nach Herstellerangaben einsetzbar:

Serie-60-Geräte: Nokia 3650 (Auslaufmodell), 3660, 6600, 7650 (ausgelaufenes Modell), N-Gage (Spielekonsole),Siemens SX1

Serie-80-Geräte: Nokia Communicator 9210/9210i und 9290.

Die Software Mobile Accessibility 2.0 Software für Handys der Firma Caretec aus Österreich ist im Gegensatz zu TALKS kein Screenreader. Diese Software verfügt über eine eigene, vom verwendeten Handy unabhängige, Menüstruktur, welche die Bedienung durch sehgeschädigte Anwender vereinfachen soll. Laut Anbieter macht Mobile Accessibility 2.0 ebenfalls die wichtigsten Bedienfunktionen eines Handys zugänglich. Einsetzbar ist diese Software in den oben erwähnten Serie-60-Geräten der Firmen Nokia und Siemens. Produkte der Firma Caretec sind in Deutschland bei den Firmen Aradis und Marland zu beziehen.

Bildschirmlesegeräte auf der SightCity 2004

Eine neuere Entwicklung bei den Bildschirmlesegeräten weist hin zur Textverarbeitung per Software. Dies war zu sehen beim LiveReader der Firma Audiocharta oder auch beim myReader von Pulse Data International. Beide Geräte lesen den Text auf Knopfdruck per Kamera ein, so dass dieser für den weiteren Gebrauch im Gerät zur Verfügung steht - ohne einen gesonderten Scanner. Anwender des LiveReaders können sich dann den Text vorlesen lassen und per Touchscreen die für sie passenden Einstellungen bezüglich Vergrößerung, Farbe und Kontrast wählen. Sie können auch das Dokument mit dem Finger auf dem Bildschirm bewegen. Nach Herstellerangaben stehen für versierte Anwender so gut wie alle Funktionen auch per Tastatur zur Verfügung.

Beim myReader kann nach Erfassen des Textes per Kamera zwischen verschiedenen Ausgabeformen für den Text gewählt werden: die Anzeige als Spaltenlayout, als Zeilenlayout oder Wort für Wort im Wortlayout. Nach Herstellerangaben führt das System den Text in einer selbstgewählten Geschwindigkeit über den Bildschirm, was speziell für das Lesen großer Textmengen gedacht ist. Für das Arbeiten unter der Kamera, z. B. für das Schreiben per Hand, verfügt der myReader - wie auch der LiveReader - über einen Live-Modus. In Deutschland werden Pulse Data-Geräte über Baum, Hedo und HandyTech vertrieben.

Wer gleichzeitig mit einem PC und einem Bildschirmlesegerät arbeitet, konnte bisher entweder zwei Monitore nebeneinander benutzen, das Bild umstellen oder auf eine Bildschirmteilung zurückgreifen. Diese Lösung ist allerdings bei manchen Anwendern nicht sehr beliebt, da sie den durch die Vergrößerung ohnehin kleinen Bildausschnitt weiter verkleinert.

Eine Alternative dazu war bei der diesjährigen SightCity auf dem Stand der Firma OPTRON zu sehen, die bei ihrem Produkt OPTRON PCT NCO zwei Flachbildmonitore auf einem gemeinsamen Fuß montiert hat. Die beiden Monitore können getrennt voneinander zum Betrachter geschwenkt werden. Diese Konstruktion ist etwas platzsparender als das Aufstellen zweier Monitore nebeneinander und ermöglicht gleichzeitig die Darstellung der verschiedenen Inhalte auf dem Vollbildschirm. Das OPTRON PCT III ist nach Herstellerangaben ebenfalls kombinierbar mit einem PC mit Bildschirmteilung oder mit einem Laptop. Die Kamera kann außerdem auch um 180° geschwenkt werden und weit entfernte Objekte heranholen.

Damit greift OPTRON ein weiteres Thema auf, das auf der SightCity bei mehreren Anbietern eine Rolle spielte: Systeme, die mit einer Kamera gleichzeitig Nah- und Fernsicht ermöglichen. Beispiele hierfür sind der Sentry PC von der Firma Tieman, deren Farbkamera und Halterung schlank ist und sich daher auch für den Einsatz an Arbeitsplätzen mit weniger Platz eignet. Dennoch ist dieses Gerät vor allem für die Anwendung am festen Arbeitsplatz gedacht.

Einen Schritt weiter in Richtung Mobilität geht das Gerät Zoomax Portis, das in Deutschland von der Firma Novotech GmbH vertrieben wird. Auch hier ist die Kamera für das Lesegut direkt als Fernkamera zu nutzen. Die Kamera, die mit ihrer Halterung wie eine Schreibtischlampe wirkt, kann an einen Laptop angeschlossen werden und anschließend über die Tastatur bedient. Eine andere Möglichkeit ist der Anschluss an einen PC oder nur an einen schlichten Monitor; in diesem Fall gibt es in der Version Zoomax i.V. für die Bedienung ein eigenes Pult, mit dem Farben und Vergrößerung eingestellt werden können.

Ähnliches bietet auch das System IDEA-Solo vom schwedischen Hersteller Nordisk SynSupport AB, das ebenfalls eine tragbare Farbkamera bietet, die als Nah- und Fernkamera fungiert. Hier war die Halterung etwas stabiler als bei dem Zoomax, soll aber nach Herstelleraussage noch weiter verschlankt werden. Das IDEA-Solo kann ebenfalls an einen Laptop oder einen PC angeschlossen werden und erlaubt nach Herstellerangabe sowohl die Vollbilddarstellung von PC- oder Kamerabild als auch eine Bildschirmteilung.

Andere Geräte bieten nach wie vor die Möglichkeit, Fernkameras zusätzlich anzuschließen. Hierzu zählt der von der Firma Reinecker vertriebene Videomatic UNO in verschiedenen Versionen, das VEGA DUO der Firma Tagarno oder auch der MagniLink Student der Firma Low Vision International, der eine Dreiteilung des Monitorbildes für Nah- und Fernkamera und PC-Bild ermöglicht. Geräte der Firma Low Vision International sind in Deutschland bei der Firma Hedo, bei IPD oder bei FluSoft erhältlich.

Außerdem waren Vergrößerungsgeräte im Handtaschenformat, sog. E-Lupen, wiederum ein Thema. So z. B. "Quicklook" oder "Liberty Color" von Ash Technologies (in Deutschland zu beziehen bei Baum, Deininger, FluSoft, Handy Tech, Lu Brillenschmiede oder Marland) oder auch die "MAXLUPE" Plus, die von Reinecker verkauft wird. Alle drei Geräte sind Farbgeräte. Beim Quicklook und der MAXLUPE sind Kamera und Display in einem Gehäuse untergebracht, Liberty Color hat einen kleinen 7-Zoll-TFT-Monitor und eine Mauskamera. Bedingt durch die naturgemäß kleinen Bildschirme hält sich bei diesen Geräten die mögliche Vergrößerung in Grenzen: Quicklook schafft 5,5-fach, Liberty Color 10-fach, die MAXLUPE 15-fach. Allerdings kann man nach Herstellerangaben, z. B. bei dem Liberty Color-Gerät, eine Kontrastverstärkung für schlechte Vorlagen einschalten und die MAXLUPE stellt Text auch in Weiß-Schwarz dar.

Wer suchet, der findet mit TagIT

Wenn blinde Menschen Gegenstände des alltäglichen Bedarfs nicht entsprechend kennzeichnen oder sich ihre Position, z. B. in einem Regal, nicht genau merken, beginnt oft eine lange Suche. Mit dem System TagIT der Firma Dräger& Lienert Informationsmanagement aus Marburg soll das unnötige Suchen ein Ende haben. Herr Lienert selbst präsentierte uns TagIt an seinem Stand.

Wir stehen vor einem Regal. In dem Regal sind verschiedene Schachteln, die mit Tags gekennzeichnet sind. Herr Lienert greift eine Schachtel heraus und hält ein kleines Lesegerät daran: "Zubehör zur sprechenden Küchenwaage" tönt eine wohl bekannte Sprachausgabe aus dem Lautsprecher.

TagIt arbeitet mit sog. Tags, welche einen individuellen Code enthalten. Die Tags sind an den Gegenständen befestigt. Es handelt sich bei diesen Tags um kleine, nur briefmarkengroße Aufkleber. In den Etiketten befindet sich eine Antenne und ein kleiner Chip. Und wenn dieses Etikett in das elektromagnetische Feld eines sog. Readers kommt, entsteht in der Spule der Etikette Strom über Induktion. Der Chip bekommt Strom, wird als Sender aktiv und sendet eine lange Zahl, also eine Identifikationskennung.

RFID heißt die Technologie, Radiofrequenz-Identifikations-Detektion, die es Blinden ermöglichen soll, einen handlichen Funkscanner an Gegenständen vorbeizuführen, um sich dann den Namen der Objekte vorlesen zu lassen. Man kann auch gezielt nach Gegenständen suchen. Den Namen des zu suchenden Gegenstandes gibt man über die PC-Tastatur ein, führt das Lesegerät so lange an den Gegenständen im Regal vorbei, bis die Stimme aus dem Lautsprecher den Namen des Gegenstandes spricht.

Herr Lienert: "Wir können auch Filter setzen. Wir können zum Beispiel sagen: Wir wollen jetzt nur Bücher ansagen lassen. Dann ignoriert TagIt andere Dinge und sagt Ihnen nur die Bücher an. Sie können auch sagen: Ich möchte nicht nur Bücher allgemein angesagt bekommen, sondern ganz speziell Bücher zu einem bestimmten Fachgebiet, beispielsweise Naturheilkunde und so weiter. Dann würde das System eben Belletristik ignorieren."

INCOBS auf der SightCity

INCOBS (Informationspool Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte) war dieses Jahr erstmalig mit einem Informationsstand auf der SightCity in Frankfurt vertreten. Das vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung geförderte Projekt informiert anbieterneutral über das Leistungsspektrum elektronischer Hilfsmittel.

Besucher der Messe fanden vielfältige Materialien auf dem INCOBS-Stand vor, die die Übersicht über das breite Marktangebot erleichtern sollen und Hilfe bei der Auswahl geeigneter Hilfsmittel geben. Ebenfalls präsentiert wurden Mobiltelefone, die INCOBS in Kooperation mit der Stiftung Warentest auf ihre Zugänglichkeit für Blinde und Sehbehinderte geprüft wurden. Die Testergebnisse fanden sehr großes Interesse.


Auf dieser Seite kommen 10 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Accessibility, Bildschirmlesegeräte, Braillezeilen, Monitor, RFID, Scanner, Screenreader, Sprachausgabe, Touchscreen und Zugänglichkeit.


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Letzte Änderung: 19.07.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?