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SightCity 2010

von Carsten Albrecht und Michaela Freudenfeld

Vom 28. bis 30. April fand in Frankfurt die SightCity 2010, die größte Fachmesse für Blinden- und Sehbehinderten-Hilfsmittel in Deutschland statt. INCOBS berichtet, welche Produktneuheiten vorgestellt wurden.

Bei der Vorbereitung zur SightCity 2010 in Frankfurt schrak das INCOBS-Team zu-sammen! 130 Aussteller! Wie sollen wir das schaffen?

Auch nachdem wir die Anbieter von Spielen, Uhren etc. ausgeklammert haben, galt es immer noch zahlreiche Ausstellerstände in Augenschein zu nehmen und über einige Produktgruppen in der Kürze der Zeit das Wichtigste zu erfahren.

Vorlesesysteme mit Kamera statt Scanner

Deutlich wurde auf der SightCity der Trend zu Vorlesesystemen, die anstelle eines Scanners eine Kamera einsetzen. Das Schriftstück wird also fotografiert und dann mit einer Texterkennungssoftware für die Sprachausgabe verarbeitet. Diese Technologie kennen wir bereits von den sogenannten „Vorlesehandys“. Da die Kamera an einem festen Arm installiert ist, fällt das Fotografieren aber leichter.

Im Vergleich zum üblichen Einlesevorgang mit einem Scanner ist das Erfassen per Kamera schneller, und Probleme mit dem Auflegen, etwa wegen einem Buchfalz, werden laut Anbieter minimiert. INCOBS hat gleich mehrere Geräte gesichtet: der ClearReader+ von Optelec erinnert äußerlich an ein Kofferradio. Der Kameraarm lässt sich praktisch ein- und ausklappen, mit dem integrierten Henkel ist das knapp 2,5 Kilo schwere Gerät gut transportierbar. Der Anschluss an einen Rechner ist bei diesem Gerät nicht notwendig. Auch bei Handy Tech konnte man ein Vorlesegerät mit Kamera ausprobieren. Das Gerät heißt iRead Now, ist mit 740 g sehr leicht, lässt sich zusammenklappen und ist damit ebenfalls mobil nutzbar. Voraussetzung ist der Anschluss an einen PC via USB.

Haben Vorlesesysteme mit Scanner nun ausgedient? Nein, ganz soweit ist es noch nicht. Aber einen Klassiker, der lediglich einscannt und vorliest haben wir als Neuentwicklung nicht gesehen. Dafür werden die Scannerlesegeräte aber mit neuen Funktionen ausgerüstet. So wartet das neue Scanner-Lesegerät VoxPro von Reinecker mit integriertem DAISY-Player auf. Als Medium liest er sowohl CD als auch USB-Stick aus. Dieser Scanner kostet derzeit 4000 €.

Neuentwicklung: Vorlesesystem und Bildschirmlesegerät in einem

Die oben beschriebene Technik macht es möglich: Die Grenzen zwischen Vorlese- und Bildschirmlesegerät werden aufgeweicht. So stellt die Firma ImagingSource aus Bremen mit dem Gerät Scan2Voice einen Prototypen vor, der beide Funktionen erfüllt, also Text vergrößert und vorliest. Das Hilfsmittel sieht aus wie eine Schreibtischlampe. An einen Rechner mit Bildschirm angeschlossen, überträgt die Live-Kamera die Vorlage vergrößert auf den Monitor. Die Bedienung mit der Maus (raus-/reinzoomen) setzt einen gewissen Sehrest voraus. Die Kamera ermöglicht es auch, den Text zu fotografieren. Mithilfe einer Texterkennung wird er anschließend vorgelesen und ist weiter bearbeitbar. Auch zweidimensionales Erkennen von Text, z. B. auf Konservendosen oder Joghurtbechern, ist möglich.

Die Firma IPD bietet mit Vocatex HD (Basic oder Plus) ein Vorlese- und Bildschirmlesegerät mit integriertem Monitor und Kreuztisch von KobaVision an. Auch die Firma Deininger arbeitet an einer ähnlichen Entwicklung mit Namen PC-I.

Die Preise liegen bei ca. 1400 € für Geräte ohne Monitor und Rechner und gehen bis zu 4900 €, wenn ein großer Monitor und ein Kreuztisch dabei sind.

Bildschirmlesegeräte und E-Lupen

Der Trend zur Mobilität bleibt weiterhin bestehen. Viele E-Lupen, die im letzten Jahr auf der SightCity angeboten wurden, haben inzwischen einen Nachfolger bekommen. Einige Geräte bieten nun eine stufenlose Vergrößerung. Die Entwicklung geht auch hier in Richtung Multifunktionalität. So kann man etwa mit dem SmartView Verso+ (HumanWare) nicht nur die üblichen Lupenfunktionen ausführen, sondern auch Musik hören oder Filme schauen.

Bei den mobilen Bildschirmlesegeräten gab es den einen oder anderen handlichen Neuling. Zum Beispiel den Transformer von Enhanced Visions (erhältlich ab Juli 2010), der zusammenklappbar und mit einem Gewicht unter einem Kilo sehr leicht ist. Nicht viel schwerer sind die ebenfalls zusammenklappbaren Konkurrenten Idea Solo HD von Baum (1,3 kg) oder IBIS HD von Tagarno (1,9 kg). Hochauflösende HD-Kameras sorgen dabei immer für einen höheren Preis. Das IBIS HD liegt beispielsweise bei 2500 €.

Apropos HD-Kameras: Fast alle Anbieter von Bildschirmlesegeräten bieten mindestens ein Gerät mit hochwertiger HD-Kamera an. Diese Technologie ist vor allem für Nutzer interessant, die mit kleinen Vergrößerungen arbeiten. Im Vergleich zur herkömmlichen Kameratechnologie bieten sie auch im unteren Vergrößerungsbereich gestochen scharfe Bilder.

Neue mobile Vergrößerungssoftware

Die Firma Reinecker Reha bietet mit iZoom eine Vergrößerungssoftware mit Sprachausgabe für den mobilen Einsatz an. Mit verschiedenen Vergrößerungsstufen, Bildschirmteilung oder diversen Möglichkeiten der Farbeinstellung stellt sie laut Hersteller einen ähnlichen Funktionsumfang zur Verfügung wie eine „normale“ Vergrößerungssoftware. Innovativ im Vergleich zu ähnlichen Entwicklungen anderer Anbieter aus der Vergangenheit ist, dass die über einen USB-Stick geladene Software weder eine Installation noch Administratorenrechte benötigt. Der Stick kostet knapp 600 €.

Braillezeilen

Wer nach Braillezeilen Ausschau hielt, fand überwiegend Altbewährtes, was nicht negativ bewertet werden sollte. Die diesbezügliche Technologie ist weitgehend ausgereift, und die Zeilen genügen in der Regel auch hohen Ansprüchen. Am Stand der Firma Ninepoint Systems aus Österreich wurde das modulare System Cebra (Cellular Braille) präsentiert. Dabei handelt es sich um ein flexibles, modulares Zeilensystem, dessen Braillemodule und Navigationselemente vom Anwender selbst nach seinen eigenen Wünschen zusammengesteckt werden können. Jede einzelne Zeile besteht aus 20 Modulen, so dass der Anwender sich z.B. mit vier Zeilen eine 80er-Zeile zusammenstellen kann. Sogar eine 100er- oder 120er-Zeile wäre möglich. Das sieht recht innovativ aus. Bleibt nur die Frage, ob das Material einem häufigen Wechsel bzw. dem Ein- und Ausstecken der Module auf Dauer standhalten wird. Mit Distributoren für Deutschland ist man bei Ninepoint Systems in Verhandlung.

Pocket-Shopper und andere Helfer für den Einkauf

Gleich drei Systeme, die Produkte anhand ihres Strichcodes erkennen, wurden auf der Messe präsentiert. Vorreiter in Sachen Einkaufshilfe war wohl der Einkaufsfuchs der Firma Synphon. Diesen gibt es jetzt auch als kabellose Variante für ca. 3.100 €€. Nahezu alle Hilfsmittelanbieter Deutschlands vertreiben den Einkaufsfuchs.

Der Pocket-Shopper von Elumo ist ein System für den Handynutzer. Auf dem Handy muss ein Screenreader wie Talks oder Mobile Speak installiert sein. Nachdem die Pocket-Shopper-Software auf dem Handy installiert ist, wird das Handy drahtlos via Bluetooth mit einem handlichen Strichcodescanner verbunden. Fährt man mit diesem über den Strichcode einer Verpackung, wird angesagt, um welches Produkt es sich handelt. Vorausgesetzt, dieses Produkt ist in der Datenbank des Shoppers verzeichnet. Falls es nicht verzeichnet ist, kann der Anwender dem Strichcode und somit der Verpackung selbst per Spracheingabe einen Namen vergeben.

Der Pocket-Shopper wird u.a. von den Firmen Handy Tech und Gaudio-Braille für ca. 1.900 €€ vertrieben.

Woodscan heißt der Einkaufshelfer bei der Schweizer Firma Bones (Milestone). Hier wird der Strichcodescanner per USB an den Milestone angeschlossen.

DAISY-Player und Rekorder

Nutzer des Plextor Pocket PTP1 dürfen sich freuen. In ca. drei bis vier Wochen wird es für dieses Gerät ein Firmwareupdate in Deutsch geben. Dann soll der PTP1 WLAN-tauglich sein, so dass man, sofern ein entsprechendes Netzwerk vorhanden ist, ohne die Nutzung eines PCs Hörbücher und Podcasts direkt auf das Gerät laden kann. Auch das Hören von Internetradio soll laut Hersteller möglich sein. An einer Weiterentwicklung des DAISY-CD-Rekorders PTR2 ist laut eines japanischen Mitarbeiters von Plextor derzeit nicht gedacht.

Am Stand der Firma Olympus konnte man den Prototyp des DAISY-Rekorders DM5 in Augenschein nehmen. Das Gerät soll zumindest alle Funktionen bieten, die zum Abspielen von DAISY-Büchern erforderlich sind. Man konnte uns noch nicht sagen, ob mit diesem Gerät auch DAISY-Bücher erstellt werden können. Aber qualitativ hochwertige Aufnahmen, wie man sie z.B. mit dem DM550 machen kann, werden laut Hersteller möglich sein. Ferner wird man das Gerät auch per Sprache steuern können. In welchem Umfang das möglich sein wird, konnte man ebenfalls noch nicht konkret sagen. DM5 soll ab Sommer diesen Jahres ab ca. 250 € erhältlich sein.

Navigationssysteme

Leider können wir nichts Positives in Sachen Wayfinder Access berichten. Es sieht wohl so aus, als würden die entsprechenden Server Anfang nächsten Jahres abgeschaltet, so dass diese Navigationssoftware zukünftig nicht mehr genutzt werden kann. Am Stand von Code Factory wurde die für das Betriebssystem Windows Mobile entwickelte Navigationssoftware Mobile Geo vorgeführt – soweit das in Gebäuden ohne GPS-Empfang möglich war. Da diese Software zurzeit nicht mit Symbian-Handys genutzt werden kann, sucht man nach Alternativen. So ist Code Factory mit Nokia im Gespräch, die Navigationssoftware Nokia Maps für unseren Nutzerkreis zugänglich zu machen. Ergebnisse sind aber zumindest kurzfristig nicht in Sicht.

Die Firma HumanWare präsentierte das System Trekker Breeze, mit dessen Hilfe es möglich ist, Routen aufzuzeichnen, die man z.B. mit sehender Begleitung abgeht, um sie später allein bewältigen zu können. Nach Angaben des Herstellers ist eine direkte Eingabe von Start und Zieladresse derzeit nicht möglich, da das Gerät über keine entsprechende Eingabetastatur verfügt. Man denkt aber über praktikable Lösungen nach. Trekker Breeze kostet ca. 800 € und wird nach unserem Kenntnisstand zurzeit nur von der Firma Optelec angeboten.

Screenreader

Die endgültigen Versionen der Screenreader Cobra 9.1 sowie JAWS 11 werden höchstwahrscheinlich in vier bis sechs Wochen erscheinen. Sie sollen dann optimal auf Windows 7 und Office 2007 angepasst sein. Window-Eyes 7.11 wurde bereits in seiner endgültigen Version auf der SightCity präsentiert. Bemerkenswert war, dass einige Händler auch Systeme für das Betriebssystem Mac OS X präsentiert haben (z.B. Handy Tech und Papenmeier). Beim Mac ist der systemeigene Screenreader VoiceOver integriert, mit dem ein Großteil der Software von Apple für Blinde zugänglich ist.

Fazit

Auch diese Messe spiegelte den allgemeinen Trend wider: die Geräte werden immer kleiner, sie sind mobil einsetzbar und mit immer mehr Funktionen ausgerüstet. So verschwimmen zusehends die Grenzen zwischen früher klar abgetrennten Produktgruppen, wie z. B. den Bildschirmlesegeräten/Vorlesesystemen. Für die Nutzer ist diese Entwicklung von Vorteil, schafft sie doch mehr Flexibilität. Auf der anderen Seite muss man sich noch besser informieren, um herauszufinden, welche Funktionen welche Produkte bieten, was man tatsächlich davon benötigt und ob die Bedienung aufgrund der Funktionsvielfalt nicht zu komplex wird.



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Letzte Änderung: 18.08.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?