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Elektronische Bücher: Für sehbehinderte Menschen ein neuer Zugang zu Literatur? Ergebnisse des Tests "E-BOOK-Reader"

von Cyndia Hartke

Handliche E-Book-Reader sind auf dem Vormarsch. Im Gegensatz zu rein audiobasierten DAISY-Playern haben sie den Vorteil, dass bei kommerziellen Anbietern aus einer Fülle elektronischer Bücher ausgewählt werden kann, während das DAISY-Format nicht halb so weit verbreitet ist. Außerdem lässt sich bequem eine ganze Bibliothek auf den Geräten speichern und steht bei Bedarf mobil zur Verfügung. Besonders die Nutzung von Fachpublikationen, die oft in elektronischer Form schneller greifbar sind als in der Printversion, kann durch E-Book-Reader vereinfacht werden.

Doch wie sieht es mit der Zugänglichkeit der Geräte für Menschen mit Seheinschränkung aus? Zwar hat Amazon mit Einführung der Sprachausgabe im E-Book-Reader Kindle schon einen wichtigen Schritt in Richtung Zugänglichkeit getan, musste die Funktion aufgrund möglicher Copyright-Verletzungen aber wieder entfernen. Für vollblinde Nutzer eignen sich die visuell ausgelegten Geräte wegen ihrer fehlenden Sprachausgabe also nicht. Sie sind besser beraten mit DAISY-Playern oder professionellen Vorlesesystemen.

Test E-Book-Reader

INCOBS hat Anfang 2011 sieben der gängigsten E-Book-Reader im Hinblick auf ihre Gebrauchstauglichkeit für Sehbehinderte getestet. Überprüft wurde jeweils die Menübedienung und Handhabung der Geräte sowie der Umgang mit verschiedenen Dateiformaten. Da die zur Verfügung stehen E-Books in ihrem Formaten noch stark variieren, haben wir uns für die gängigsten entschieden: ePUB, PDF und TXT. Unsere Tester mit Seheinschränkung (Retinitis Pigmentosa, Optikus Atrophie, beidseitiger Nystagmus und hochgradige Kurzsichtigkeit) beurteilten außerdem die Displaywahrnehmung der einzelnen Geräte.

Getestet hat INCOBS folgende Reader:
Cybook Opus, jetbook-Lite, Wiesereader N516, WISEREADER N518, PocketBook 360, IRIVER Story und Sony Reader Pocket Edition.

Testergebnisse

Display

Die durchschnittliche Displaygröße der Reader liegt bei 5 Zoll. Das entspricht etwa 2/3 einer Standardpostkarte und ist nicht besonders groß, vor allem, wenn man eine starke Schriftvergrößerung benötigt. Darum bieten fast alle Reader die Möglichkeit, Texte im Hoch- und Querformat darzustellen. Entweder erfolgt die Umstellung über eine Taste, oder über den sogenannten Gravitationssensor automatisch mit Drehung des Geräts. Die meisten Reader sind mit akkuschonenden, unbeleuchteten e-Ink-Displays ausgestattet, die dank ihrer matten Oberflächenstruktur weitgehend blendfrei sind. Das einzige Testgerät mit VGA-Display, das jetbook Lite, hat sich jedoch erstaunlich gut gehalten, was Displaylesbarkeit in verschiedenen Lichtsituationen und Spiegelungsverhalten bei elektrischem Licht betrifft, und muss sich nicht hinter seinen e-Ink-Kontrahenten verstecken.

Wünschenswert wäre eine Einstellmöglichkeit zur Regulierung von Displayhelligkeit und –Kontrast. Damit wäre eine Anpassung an unterschiedliche Lichtsituationen denkbar, ohne dass der Nutzer sofort den Einsatz einer zusätzlichen Displayleuchte in Erwägung ziehen muss.

Bedienmenüs

Die Bedienmenüs der getesteten Geräte sind durchweg in kleinen, aber noch lesbaren Schriften dargestellt. Leider lässt sich die Schriftgröße der Bedienmenüs nur beim jetbook Lite vergrößern. Verschiedene Schriften zur Einstellung des Bedienmenüs hingegen bieten sowohl jetbook Lite als auch WISEREADER N518 an, so dass hier über die Auswahl eines möglichst großen klaren Schriftschnitts noch etwas Schriftgröße herausgeholt werden kann.

Bis auf das Pocketbook 360 sind die Hauptmenüs über eine eigene Gerätetaste aufrufbar, so dass der Nutzer sich für die wichtigsten Funktionen nicht erst durch die Navigation arbeiten muss. Allerdings werden bei allen Readern die Menüsymbole nicht mit vergrößert. Eine Hilfefunktion über eine Direktwahltaste wäre wünschenswert, ist aber bei keinem Gerät vorhanden. Der IRIVER Story und das PocketBook 360 bieten jedoch die Möglichkeit, Tasten zum direkten Aufruf bestimmter Funktionen zu bestimmen – hier wäre unsere Anregung, eine Taste direkt mit dem Aufruf der Bedienungsanleitung (meist im PDF-Format) auf dem Gerät zu verknüpfen.

Seitenzahlen

Durchgehend problematisch ist die Darstellung der Seitenzahlen. Die Testpersonen klagten über die häufig kaum erkennbare Darstellung, die viel zu klein am unteren Seitenrand und oft vor schwarzem Hintergrund dargestellt auch noch sehr geringe Kontraste aufwies. Einzig der WISEREADER N518 brachte hier ein akzeptables Ergebnis.

Umgang mit verschiedenen Dateiformaten

EPub

Die Schriftvergrößerung bei allen Readern wurde von den Testern mit gut bis sehr gut bewertet, auch der Einstellungsdialog zur Vergrößerung war durchlaufend unproblematisch. Knifflig wurde es nur beim Cybook Opus, da hier die Cursorposition zur Auswahl der Vergrößerung schlecht erkennbar ist. Das Opus wird dennoch geschätzt, wenn es um die Beurteilung des Lesegenuss im EPub-Format geht. Gleichwertige Lesefreude konnten sich unsere Tester nur noch mit dem PocketBook 360 vorstellen. Bei den anderen Geräten tauchten Probleme im Zusammenhang mit mangelndem Displaykontrast und unzulänglicher Schriftvergrößerung für dauerhaften Lesefluss auf.

TXT

Das TXT-Format hat sich als das am wenigsten händelbare Format herausgestellt. Bei der Schriftvergrößerung des Leseguts punkteten hier nur das Cybook Opus und der Sony Reader Pocket Edition. Schlecht bewährte sich das PocketBook 360 – der Zeilenabstand war hier im TXT-Format viel zu groß und erschwerte das flüssige Lesen, weil permanent geblättert werden musste. Beim iRiver Story funktionierte im TXT Format sogar die Umschaltung vom Hoch- ins Querformat nicht, was bei großem Zeilenabstand zusätzlich flüssiges Lesen erschwerte.

Nur beim Cybook Opus und WISEREADER N518 konnte sich die Mehrheit unserer Tester vorstellen, TXT-Formatbasierte Bücher zum Lesen aufzurufen.

PDF

Sehr unproblematisch erwies sich überraschenderweise das relativ starre PDF-Format. Das liegt vor allem daran, dass die Schriftvergrößerung hier nicht in wenigen festen Schritten, sondern in einer prozentualen Zoomfunktion erfolgt. Das jetBook Lite bringt es hier sogar auf stolze 6400% Schriftvergrößerung! Allerdings muss man sich fragen, inwieweit die Nutzung sehr großer Vergrößerungsstufen auf dem relativ kleinen Display sinnvoll ist. Bis auf den Sony Reader Pocket Edition unterstützen alle getesteten Geräte den PDF-Reflow (beim Reflow wird Text entsprechend seiner Vergrößerung/Verkleinerung neu angeordnet, so dass ein flüssig lesbarer und sinnvoller Zeilen/Absatzumbruch beibehalten wird).

Beim iRiver Story funktionierte die vergrößerte Darstellung im Querformat allerdings nur, wenn der Reflow ausgestellt war. Auch beim WISEREADER N516 ist in der Reflow-Funktion die Schriftgröße zu klein und die Vergrößerung funktioniert nicht regelmäßig. Und beim jetBook Lite stellte sich die Reflow-Funktion als halbherzig umgesetzt heraus: Bei großen Vergrößerungsstufen musste der nicht nur vertikal, sondern auch horizontal gescrollt werden was flüssiges Lesen nahezu unmöglich macht.

Tastatur

Die unterschiedliche Bedienphilosophie der einzelnen Geräte spiegelt sich auf der Softwareebene im Menüaufbau und in Hardware in der unterschiedlichen Tastenanordnung wider. Grundsätzliche schwieriger zu bedienen waren für unsere Tester Geräte mit vielen kleinen, eng angeordneten Bedientasten, besonders der WISEREADER N518 und der iRiver Story. Wobei hier noch der WISEREADER die bessere Alternative ist, da Cursorsprünge teilweise über Tastaturklicks hörbar bestätigt werden. Zu wenig abgegrenzt sind ihre Tasten, beim WISEREADER kommt die stark blendende silberfarbene Tastenkennzeichnung hinzu. Der Kontrast der Tastenbeschriftung lässt auch beim iRiver Story zu wünschen übrig.

Sieger nach Punkten ist der Sony Reader Pocket Edition: Lediglich ein Quentchen mehr Druckpunkt beim Steuerkreuz und eine Markierung auf der Zifferntaste Fünf würden wir uns wünschen.

Insgesamt würden besser abgehobene, blendfreie und kontrastreich markierte Tasten mit gut fühlbarem Druckpunkt die Bedienung der Geräte erheblich erleichtern. Nicht zu unterschätzen ist auch eine haptische Markierung der Zifferntaste Fünf, sofern Zifferntasten vorhanden. Hier greift am schnellsten der Gewohnheitseffekt der Nutzer, bei den sonst so unterschiedlichen Handhabungen der Geräte.

Lesehilfen und Besonderheiten

Lesezeichen

Bis auf das Cybook Opus bieten alle Reader Möglichkeiten zum Setzen von Lesezeichen. Für alle Tester war das Erstellen individueller Lesezeichen im Test selbständig ohne Assistenzhilfe möglich. Das JetBook Lite, der WISEREADER N516 und der SonyReader Pocket Edition bieten sogar eigene Tasten, was das Ablegen von Lesezeichen auf den gewünschten Seiten noch bequemer macht. Außerdem kann man beim Jetbook Lite in allen Formaten außer PDF auch von Lesezeichen zu Lesezeichen springen. Beim iRiver Story ist das Ablegen von Lesezeichen ein etwas komplizierter Vorgang, teils wegen der Menüführung, teils wegen der sehr kleinen Schriftgröße des Kontextmenüs. Negativ aufgefallen war uns auch, dass das Lesezeichensymbol hier nicht mit ins Querformat wechselt.

weitere Lesehilfen

Für das Nachschlagen bestimmter Informationen sind nicht nur Lesezeichen eine Hilfe. Auch der gezielte Aufruf von Seiten verkürzt die Suche erheblich. Alle Reader im Test unterstützen diese Funktion. Ebenso kann die Anzeige der zuletzt aufgerufenen Seite in einem Buch ausgewählt werden – bis auf den iRiver Story bei allen Readern. Über einige Reader mit Audioausgabe lassen sich auch Hörbücher, Musik und Audiomitschnitte abspielen. Diese Funktion darf jedoch nicht mit einer Sprachausgabefunktion, die „normale“ E-Books zu Vorlesesystemen macht, verwechselt werden. Dazu bedarf es zusätzlich einer speziellen Spracherkennungs- und Sprachausgabesoftware, über die keins der Testgeräte verfügt.

Welche Reader aus dem Test sind zu empfehlen?

Die besten Beurteilungen hinsichtlich einfacher Bedienbarkeit und praktischer Tastaturergonomie lieferten das Cybook Opus und der Sony Reader Pocket Edition. Auch wenn die Schriftgröße der Bedienmenüs bei beiden besser sein könnte, punkten sie durch eine gut sichtbare Auswahl-Cursorstellung. Vor allem aber liegt der Vorteil dieser Geräte in der intuitiven Bedienphilosophie und klaren und praktischen Tastaturanordnung. Mit diesen Geräten macht das flüssige Lesen von EPub- TXT- und PDF-Dateien für Menschen mit Seheinschränkung am ehesten Spaß.

Wer darauf Wert legt, die Schriftgröße des Bedienmenüs vergrößern zu können, sollte sich für das jetBook Lite entscheiden. Bei dem einzigen Gerät mit VGA Display muss jedoch die geringste Displayauflösung (480x640px) und der höchste Akkuverschleiß in Kauf genommen werden: Das Gerät arbeitet mit wiederaufladbaren AA Batterien, die eine Betriebsdauer von maximal 24 Stunden erlauben.

Worauf sollte generell bei der Auswahl eines E-Book-Readers geachtet werden?

Nicht ein großes Display allein garantiert eine gute Lesbarkeit von E-Books. Wichtiger noch als die Displaygröße sind die Handhabung, Einstellungs- und Darstellungsoptionen und nicht zuletzt die unterstützten Dateiformate. Nicht jeder Reader kann z.B. jedes Dateiformat darstellen!

Hinsichtlich ihrer Bedienphilosophie unterscheiden sich die Geräte erheblich. Neben einem einfach strukturiertem Bedienmenü, am besten mit ausdrucksstarker Cursordarstellung und Tastaturklicks zur Bestätigung, ist wichtig, dass das Hauptmenü auch jederzeit über eine eigene Taste aufrufbar ist. Eigene Tasten für das Blättern im E-Book hat jeder Reader, Menschen mit Sehbehinderung sollten darüber hinaus noch Wert auf eine eigene Zoom/Vergrößerungstaste und eine Lesezeichentaste legen. Gut erkennbare Zifferntasten sind sinnvoll für das direkte Anspringen von Seiten; von einer Buchstabentastatur sollten Menschen, die eine starke Seheinschränkung haben, eher absehen. In den meisten Fällen erschwert sie die Bedienung des Readers. Auch sollte vor Kauf ausprobiert werden, ob der Reader in den am meisten verwendeten Dateiformaten eine ausreichende Vergrößerungsfunktion für flüssiges Lesen bietet.

Das Display sollte mindestens 5 Zoll, besser 6 Zoll groß sein. 5 Zoll entspricht etwa 2/3 einer Standardpostkarte. Die automatische Umschaltung vom Hoch- ins Querformat in allen Dateiformaten sollte selbstverständlich sein. Sofern es sich um einen Reader mit unbeleuchtetem E-Ink- Display handelt, kann überlegt werden, gleich auch eine Displaybeleuchtung für dunklere Lichtsituationen mit anzuschaffen.


Auf dieser Seite kommen 12 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: E-Book, E-Book-Reader, EPUB, G-Sensor, Hardware, PDF, Retinitis Pigmentosa, Sprachausgabe, TXT, VGA, Vorlesesysteme und Zugänglichkeit.


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Letzte Änderung: 16.05.2011 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?