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Neues von der SightCity 2008

von Carsten Albrecht und Heike Klamroth, INCOBS 2008

Sie ist mittlerweile zur Institution geworden, die Fachmesse für Blinden- und Sehbehinderten-Hilfsmittel, die SightCity. Über 100 Aussteller präsentierten vom 7. - 9. Mai in Frankfurt ca. 3.500 interessierten Besuchern ihre Hilfsmittel und Dienstleistungen. Das INCOBS-Team war für unsere Leser unterwegs und hielt nach Neuerungen Ausschau.

Weltneuheit: Vorlesehandy

Der KNFB-Reader, der in Deutschland von der Firma Handy Tech vertrieben wird, kann wohl als Weltneuheit bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um eine Software für Handys mit eingebauter Digitalkamera, die es sehgeschädigten Anwendern ermöglicht, gedruckte Texte per Sprachausgabe vorgelesen zu bekommen. Man hält das Handy im Abstand von ca. 30 cm über ein Dokument, fotografiert den Text ab, der dann verarbeitet und vorgelesen wird. Als Hilfe zur Positionierung der Kamera kann ein Testfoto gemacht werden. Das System meldet dann, ob der Text des gesamten Blattes erfasst wird. Die zwei kurzen Tests, die wir durchführen konnten, waren schon recht beeindruckend. Allerdings dürfte der Preis von 1.250 bis 1.600 € allein für die KNFB-Reader-Software viele Anwender abschrecken. Die Software funktioniert derzeit nur mit dem Handy-Modell N 82 der Firma Nokia, das rund 490 € kostet. Zusätzlich erforderlich ist evtl. auch ein Screenreader für Handys wie Mobile Speak oder Talks für etwa 250 €. Mit knapp unter 2.000 € ist man also für die gesamte benötigte Hard- und Software dabei.

Im Trend: Vorlesesysteme mit Kamera

Am Stand der BAUM Retec AG war die Firma beyo GmbH aus Potsdam zu Gast. Sie präsentierte den PR 100, ein mobiles Vorlesegerät, das auch im Akkubetrieb läuft. Der PR 100 ist etwas größer als eine Videokassette. Klappt man das Gehäuse auf, kann eine an zwei Teleskoparmen befestigte Kamera herausgezogen und so positioniert werden, dass sie mittig über einem Blatt o. ä. schwebt. Auch hier wird der Text fotografiert, verarbeitet und nach wenigen Sekunden vorgelesen. Die Firma BAUM wird das Gerät voraussichtlich im Herbst dieses Jahres anbieten.

Der Trend scheint auch im stationären Bereich zu Fotokameras für die Texterkennung zu gehen. Allerdings, so die übereinstimmende Auskunft bei den Anbietern, ist die Texterkennung beim Einsatz von Kameras noch nicht so fehlerfrei wie mit Scannern. Insbesondere die Auflösung und die Tiefenschärfe sind noch nicht optimal.

Mit dem Lesephon USB präsentierte die Firma Novotech einen alten Bekannten in neuem Gewand - nämlich als MP3-Player. Das Lesephon muss lediglich an einen PC mit Scanner angeschlossen werden und die Texterkennung kann beginnen.

Der eingescannte Text wird im txt-Format auf dem 2 GB großen Speicher des MP3-Players abgelegt. Man kann mit diesem mobilen Lesephon an nahezu jedem Ort Texte einlesen, denn ein Scanner gehört in vielen Fällen schon zur Standardausstattung eines PC-Arbeitsplatzes. Lesephon USB wird voraussichtlich 400 € kosten. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Firma Deininger mit dem LISA-Stick ein ähnliches Produkt auf den Markt gebracht hat.

Vergrößerungssoftware und Screenreader: Noch sind nicht alle für Windows Vista bereit

Im Bereich der Vergrößerungssoftware sind zur Zeit nur ZoomText und Supernova bzw. Lunar als Vista-fähige Softwareprodukte auf dem Markt. Magic 11 wird für Ende des Jahres erwartet und eine neue Vergrößerungssoftware von BAUM ist auch noch nicht erhältlich. Sehr interessant für Arbeitsplatzausstattungen: Demnächst wird eine neue Version von ZoomText erwartet, die skriptfähig sein soll und damit an individuelle Bedürfnisse und Aufgaben angepasst werden kann.

Cobra ist der neue Screenreader der Firma BAUM, der unter Windows Vista sowie mit Office 2007 genutzt werden kann. Was auf der Messe präsentiert wurde, war zwar recht vielversprechend, aber man befindet sich immer noch in der Entwicklungsphase. Marktreif soll Cobra zum Herbst 2008 sein. Bereits im Juni/Juli 2008 ist mit dem Erscheinen von JAWS 9, dem Screenreader für Windows Vista und Office 2007 der Firma Freedom Scientific, zu rechnen. Im Vergleich zur Vorgängerversion 8 soll JAWS 9 optimal auf Office 2008 angepasst sein. Zum Jahresende 2008 wird es also vermutlich vier Screenreader auf dem deutschsprachigen Markt geben: Cobra, Hal 6.1, JAWS 9.x und Window-Eyes 6.1.

Bildschirmlesegeräte: besseres Bild durch HD-Kameras

Im Bereich der Bildschirmlesegeräte waren in diesem Jahr an einigen Ständen hochauflösende High Definition-Kameras in Kombination mit breitformatigen 16:9-Monitoren zu sehen. Diese HD-Kameras zeichnen mit einer höheren Datenrate als gewöhnliche Digitalkameras auf, so dass mit einem entsprechenden Monitor schärfere Bilder möglich sind.

Ein Beispiel für diesen Trend zeigte die Firma Reinecker mit ihrem Gerät Videomatic Lux, das mit einem besonders guten Bild überzeugt. Der Monitor ist auf einem schwenkbaren Arm montiert und verfügt auch über "klassische" Bildschirmlesegerätfunktionen wie Zeilenabdeckung und Zeilenlineal. Leider haben einige der Anbieter aus dem Ausland, die zum Teil interessante Bildschirmlesegeräte mit HD-Kameras präsentierten, bislang keinen deutschen Vertriebspartner. Dazu gehört auch die Firma Tagarno aus Dänemark, deren Geräte in Österreich über BAUM verkauft werden. Die Firma bietet mit dem Tango HD ein volldigitales Lesegerät für den stationären Gebrauch an, das mit sehr wenig Licht auskommt und dadurch kaum reflektiert. Das tragbare Bildschirmlesegerät Viper derselben Firma läuft am PC oder Laptop unter den Betriebssystemen Windows XP und Windows Vista.

Die Firma VisionAid Technologies aus England sucht noch nach deutschen Vertriebspartnern, man zeigte sich aber zuversichtlich, dass dies in den nächsten Wochen gelingen werde. Ihr Kameralesegerät Readit PC wirkt auf den ersten Blick wie eine Kombination aus Bildschirmlesegerät und Vorlesegerät, wie es sie bereits von anderen Herstellern, wie z.B. von Humanware (bei BAUM) oder Audiocharta, gibt. Die Vorlagen können nicht nur angezeigt, sondern auch elektronisch verarbeitet werden. So ist es neben einer reinen Vergrößerung auch möglich, sich den Text als Laufschrift anzeigen oder vorlesen zu lassen. Auf den zweiten Blick fallen Besonderheiten auf: die Kamera ist in der Lage, mit nur einem Bild bis zu A3-formatige Vorlagen aufzunehmen, in die dann gezoomt werden kann. Während der Text in Fehlfarben angezeigt wird, bleiben eventuell vorhandene Fotos in Originalfarben. Das Gerät ist zusammenfaltbar und wiegt ohne Laptop nur 1,5 kg.

Auch das Zoom-Ex der Firma Handy Tech beinhaltet mehrere Funktionen in einem Gerät. Es handelt sich dabei um eine sehr kleine Kamera auf einem dünnen, zusammenklappbaren Stativ, die über eine USB-Schnittstelle an einen Laptop angeschlossen werden kann. Das Zoom-Ex wiegt nach Herstellerangaben insgesamt nur 400 g. Der mit der Kamera digital erfasste Text kann ebenfalls sowohl vergrößert als auch vorgelesen werden.

Ansonsten haben viele Firmen dank der jetzt üblichen Flachbildschirme ihre Bildschirmlesegeräte mit Kreuztisch, vor allem auch im Design, überarbeitet. Dazu zählt die Visio-Serie von BAUM, die Videomatic-Serie von Reinecker oder die MagniLink-Serie von LVI. Die leichteren Monitore sind jeweils so angebracht, dass die Nutzer sie einfacher in der Höhe verstellen und zu sich heranziehen können.

E-Lupen - auch für die Ferne

Viele der im letzten Jahr bereits vorgestellten E-Lupen wurden auf der diesjährigen Messe ausgestellt, zum Teil aber in überarbeiteter Form. Nach wie vor bestehen größere Unterschiede zwischen den E-Lupen hinsichtlich ihrer Anschließbarkeit an andere Ausgabegeräte, der Art und Laufzeit der Akkus sowie des Formates. Interessante Neuerung: Während die meisten Vergrößerungskameras im Handtaschenformat nur funktionieren, wenn man sie relativ nah an das Lesegut heranhält, funktionieren das SenseView Duo von BAUM und das Quicklook Focus von Ash Technologies (in Deutschland z.B. bei Marland oder Handy Tech) auch auf die Distanz, z.B. um Straßenschilder lesen zu können. Das Quicklook Focus verfügt über einen manuellen und einen Autofokus.

Notizgeräte: Die Qual der Wahl

Handy Tech präsentierte das Notizgerät Voice Sense der koreanischen Firma HIMS. Laut Handy Tech ist Voice Sense ein WLAN-fähiger Allrounder, der neben den Standardfunktionen wie Termin- und Adressverwaltung sowie Textverarbeitung das Surfen im WEB, das Abspielen von Mediendateien diverser Formate und auch das Abspielen von DAISY-Büchern ermöglicht. Voice Sense wiegt 226 Gramm und wird 1.900 € kosten. Die dazugehörige 20-stellige Braillezeile SyncBraille, die derzeit nur per USB an das Gerät angeschlossen werden kann, kostet ebenfalls ca. 2.000 €.

In Sachen Notizgerät hat der Anwender wirklich die Qual der Wahl, denn die meisten Geräte bieten ähnliche Features. Die Firma BAUM wird ihre Pronto!-Reihe um ein Modell mit 40 Braillemodulen erweitern. Der Anwender kann die Tastaturen selbst austauschen und so zwischen Braille- und Schwarzschrifteingabe wechseln. PacMate Omni ist das neue Notizgerät von Freedom Scientific, das unter dem recht neuen Betriebssystem Windows Mobile 6 arbeiten wird. Die Sicherung der Daten wurde optimiert, so dass laut Anbieter bei längerem Nichtbetrieb des Gerätes und leerem Akku keine Daten mehr verloren gehen. Auf dem deutschen Markt werden die o. g. Geräte voraussichtlich im Herbst erscheinen.

Braillezeilen: Nicht viel Neues

Die Firmen präsentierten überwiegend ihre altbewährten Produkte, deren Technologie wohl als ausgereift bezeichnet werden kann. Neue, formschöne Braillezeilen konnte man u. a. am Stand der belgischen Firma Sensotec begutachten. Die Zeilen machen, so weit man das in der Kürze der Zeit beurteilen kann, einen soliden und funktionellen Eindruck. Leider konnte man uns auf der Messe keinen Händler in Deutschland nennen, der die Braillezeilen dieser Firma vertreibt. Es ist wohl auch nur eine Frage der Zeit, wann Braillezeilen aus dem asiatischen Raum den deutschen Markt erobern werden. Die sollen dann preiswerter sein als die Zeilen, die derzeit in Deutschland erhältlich sind.

DAISY-Rekorder und -Player: Wir dürfen gespannt sein

Am Stand der Firma Plextor konnten wir das Gehäuse eines kleinen DAISY-Rekorders in Händen halten. Der neue Rekorder, für den es noch keinen Namen gibt, wird die Größe eines Handys haben. Er soll ähnliche Funktionen wie etwa der Plextalk PTR2 bieten. Alle Aufzeichnungen und DAISY-Bücher werden auf einer Speicherkarte abgelegt, die eine Größe von bis zu 8 GB haben kann. Das neue Gerät soll wahrscheinlich ca. 350 € kosten. Auch ein Nachfolger des Milestone 311 DAISY der Schweizer Firma Bones ist in Sicht, der Milestone 312. Mit Hilfe eines Adapters, der an das Gerät angesteckt wird, kann man den 312 zu einem Farberkennungsgerät machen. Auf den Markt soll das Gerät im Herbst diesen Jahres kommen.

Handys: Nicht nur Symbian

Durch die Softwareprodukte Mobile Speak und Smart Hal für Smartphones mit dem Betriebssystem Windows Mobile erweitert sich das Angebot an Mobiltelefonen für Blinde und Sehbehinderte. Über die Qualität und Leistungsstärke sowohl der Screenreader als auch der Smartphones kann INCOBS zur Zeit noch keine Informationen liefern. Entsprechende Tests werden folgen.

Fazit

Der Besuch der Messe hat sich auch dieses Jahr wieder gelohnt. Im Bereich der Blindenhilfsmittel wurden einige ganz neue Ideen präsentiert, bei den assistiven Technologien für Sehbehinderte wurde dagegen eher an Verbesserungen bewährter Produkte getüftelt.

Zum Abschluss noch einen Vorschlag an die Messeorganisatoren: Auf der englischen Messe SightVillage gibt es die Möglichkeit, Messe-Guides stunden- oder tageweise gegen ein entsprechendes Entgeld zu buchen. Vielleicht wäre das für alleinreisende blinde Besucher auch in Deutschland ein interessantes Angebot.

Ausführliche Informationen zu Produktneuheiten sind den Interviews des INCOBS Mitarbeiters Carsten Albrecht mit Anbietern auf der SightCity zu entnehmen. Diese können Sie im INCOBS-Podcast hören: www.incobs.de/podcast.php.



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Letzte Änderung: 16.11.2009 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?