Navigation

HINWEIS: Sie betrachten einen archivierten Inhalt. Bitte besuchen Sie auch unseren aktuellen Auftritt unter www.incobs.de

Sie sind hier: Startseite > Über INCOBS > Veröffentlichungen > Artikel > Navigationssysteme für Fußgänger

Sicher unterwegs: Navigationssysteme für Fußgänger

von Heike Clauss, INCOBS 2008

Navigationssysteme sind elektronische Geräte, die zur geographischen Ortsbestimmung sowie zur Bestimmung der Route zu einem geplanten Zielpunkt dienen. Auch für Fußgänger werden immer häufiger Navigationssysteme angeboten. Davon könnten zukünftig auch blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen profitieren.

Die selbständige Mobilität in fremden Umgebungen ist für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen meist schwierig. Unterscheiden lassen sich dabei zwei Probleme:

  • Die gefahrlose Fortbewegung: Möglichen Hindernissen, z.B. herabhängende Gegenstände, Bodenunebenheiten, muss ausgewichen werden, Straßen müssen überquert werden.
  • Die Orientierung im öffentlichen Raum: Hierfür muss der eigene Standort bekannt sein und es muss die Route zu einem gewünschten Zielpunkt gefunden werden.

Es gibt einige bekannte und bewährte Hilfsmittel und Unterstützungsangebote, die die selbständige Mobilität blinder Menschen erleichtern. Diese werden zunächst kurz vorgestellt. Im Anschluss wird erläutert, was Navigationssysteme für Fußgänger heute leisten, welche speziellen Angebote es für blinde Nutzer gibt und wie der aktuelle Stand der Forschung aussieht.

Bewährte Hilfsmittel und Unterstützungsangebote

Langstock

Bekanntestes Hilfsmittel für die gefahrlose Fortbewegung und die Orientierung im Nahbereich ist der Langstock oder Blindenstock. Mit Hilfe des Langstockes können Hindernisse oder Unebenheiten am Boden erkannt werden - mit diversen Nutzungstechniken, zum Beispiel der "Pendeltechnik", wird der Gehweg abgetastet. Der Lang-stock ist für alle blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen unerlässliches Hilfsmittel zur selbständigen Fortbewegung im öffentlichen Raum und wird von den Krankenkassen finanziert.

Mit dem Langstock als Hilfsmittel zur Orientierung im Nahbereich sowie für die gefahrlose Fortbewegung können jedoch nur Hindernisse am Boden wahrgenommen werden. Herunterhängende Äste oder andere Hindernisse auf Kopfhöhe können nicht erkannt werden. Diesem Problem haben sich einige Hilfsmittelfirmen angenommen und Langstöcke mit Ultraschall-, Laser- oder Lichtsensoren ausgerüstet, die akustisch oder taktil vor Hindernissen warnen. In der Praxis haben sich diese "elektronischen" Stöcke jedoch bislang nicht durchgesetzt.

Orientierungs- und Mobilitätstraining

Voraussetzung für die fachgerechte Nutzung des Langstocks ist die Absolvierung eines Orientierungs- und Mobilitätstrainings (O&M). Ziel dieser Schulung ist es, die durch Blindheit oder Sehbehinderung bedingte Mobilitäts- und Orientierungsbeeinträchtigung so weit wie möglich auszugleichen. Die Schulung wird im Einzelunterricht von qualifizierten Rehabilitationslehrern und -lehrerinnen für blinde und sehbehinderte Menschen durchgeführt. Die Kosten für die Schulung werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Blindenführhunde

Blindenführhunde sind speziell ausgebildete Assistenzhunde, die blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen die gefahrlose Orientierung sowohl in vertrauter als auch in fremder Umgebung gewährleisten sollen. Blindenführhunde gelten nach § 33 SGB V rechtlich als Hilfsmittel. Blindenhunde sind in der Lage, blinde und sehbehinderte Menschen sicher durch Orte zu führen, indem sie Hindernissen wie Straßenschildern, parkenden Autos, Fußgängern usw. ausweichen und Straßenbegrenzungen, Treppen, Türen, Fußgängerstreifen anzeigen. Nur ein kleiner Teil der blinden Menschen in Deutschland besitzt einen Blindenhund und die Anschaffung muss sehr sorgfältig abgewogen werden. Kann der Hund z.B. ausreichend bewegt und versorgt werden?

Navigationssysteme

Ob im Handy integriert oder als Extragerät am Armaturenbrett, viele Autofahrer vertrauen heute auf Navigationssysteme. Per Sprachausgabe und Display werden der Standort, die Strecke zu einem Ziel und andere Navigationsdaten ansagt bzw. angezeigt. Die meisten Systeme stützen sich heute auf die Satellitennavigation. Das bekannteste Satelliten-Navigationssystem ist das US-amerikanische Global Positioning System (GPS).

Angeboten werden immer häufiger Geräte, die für Fußgänger geeignet sein sollen. Solche Geräte könnten auch für blinde Menschen eine geeignete Technologie darstellen, um die Orientierung im öffentlichen Raum zu unterstützen.

Wie die Praxis zeigt, weisen Systeme für Fußgänger heute jedoch noch einige Schwächen auf: Während Autos an Straßen gebunden sind, bewegen sich Fußgänger weitaus flexibler im Raum und benötigen entsprechend detailliertere, präzisere Informationen. Als allgemein problematisch bei der Entwicklung von Navigationssystemen für Fußgänger wird angegeben:

  • das mangelhafte digitale Kartenmaterial für Fußgänger, z.B. sind häufig Gassen, Fußgängerbrücken, Grünanlagen usw. nicht verzeichnet,
  • die Ungenauigkeit von GPS und die z.T. mangelhafte Satellitenverbindung, etwa in Unterführungen oder engen Straßen,
  • keine GPS-Ortung innherhalb von Gebäuden.

Testberichte zeigen, dass die Fußgängernavigation per Satellit aus diesen Gründen (noch) nicht zuverlässig funktioniert.

Spezielle Navigationssysteme für Blinde

Es gibt bereits spezielle Navigationssysteme für blinde Menschen. Die drei zur Zeit auf dem deutschen Markt verfügbaren Produkte nutzen ebenfalls die satellitengestützte Navigation über GPS. Die Datenaus- und -eingabe verläuft entweder über eine eigens entwickelte Steuereinheit (Trekker) oder über das Handy (Loadstone GPS, Wayfinder Access).

Als Probleme beim Einsatz werden auch hier das mangelhafte Kartenmaterial für Fußgänger und z.T. fehlende Satellitenverbindungen geschildert. Erfahrungsberichte zeigen, dass sich die Systeme eher für Wege, die bereits bekannt sind oder die man sich einmalig mit einem Helfer erarbeitet, eignen. So gibt es für die Nutzer die Mög-lichkeit, markante Orientierungspunkte, z.B. Gebäude, selbst einzugeben und abzuspeichern.

Die Krankenkassen und andere Kostenträger finanzieren Navigationssysteme in der Regel nicht.

Wayfinder Access

Wayfinder Access ist die speziell für Menschen mit Sehschädigung entwickelte Variante des Handy-Navigationssystems Wayfinder. Um den Wayfinder Access nutzen zu können, benötigt man zusätzlich ein kompatibles Handy, Screenreader- bzw. Vergrößerungssoftware für das Handy, Bluetooth GPS-Empfänger und Internetzugang. Die Wayfinder Access-Software soll auf die Bedürfnisse Blinder und Sehbehinderter angepasst sein. Wayfinder bietet u.a. nähere Informationen zum jeweiligen Aufenthaltsort.

Trekker

Der Trekker wurde von der kanadischen Firma Humanware speziell für blinde Menschen entwickelt. Es handelt sich um ein vollständiges Navigationssystem bestehend aus: Steuereinheit (PDA Maestro Pocket PC), SD Speicherkarte, GPS-Antenne, Lautsprecher und Kartenmaterial für die jeweilige Region des Anwenders. Benutzer können eigene Informationen und relevante Punkte per Spracheingabe speichern.

LoadStone GPS

Das kostenlose LoadStone GPS wurde von blinden für blinde Menschen entwickelt. LoadStone ist kein vollwertiges Navigationssystem, da die Open Source-Software kein Kartenmaterial beinhaltet, d.h. der Nutzer muss die relevanten Punkte (Abzwei-gungen usw.) jeder Route selbst speichern. LoadStone eignet sich also nicht für blinde Personen, die neue Strecken selbständig erforschen möchten, sondern die einmal gemachte Routen später wieder benutzen wollen. Software und Anleitung sind derzeit nur in englischer Sprache verfügbar.

Aktuelle Forschung

Es gibt verschiedene Ansätze, neben bzw. zusätzlich zur GPS-Navigation Navigationshilfen für Fußgänger zu entwickeln, z.B.:

Die Nutzung von WLAN: Die Einbindung von WLAN könnte sich für Innenstädte mit dichter WLAN-Infrastruktur und für die Navigation innerhalb von Gebäuden eignen. Ein Pilotprojekt wird zur Zeit vom Fraunhofer Institut Erlangen durchgeführt.

Die Nutzung von RFID-Chips zur Entwicklung spezieller Leitsysteme für Blinde wird ebenfalls in einigen Projekten erprobt. Gebäude, Plätze, Haltestellen, Verkehrsmittel usw. werden dazu mit RFID-Chips ausgestattet. Diese Chips enthalten Angaben zum Standort oder andere relevante Informationen, die von einem speziellen Auslesegerät erkannt werden können. In dem EU-Projekt SESAMONET wurde ein Weg von einem Kilometer Länge mit den Chips "bestückt", die mit Hilfe eines Langstocks mit Antenne und Kopfhörer ausgelesen werden können. Geplant ist, dass die Informationen zukünftig über das Mobiltelefon abgerufen werden können.

In der Schweiz wird das System PAVIP erprobt, bei dem u.a. Haltestellen und Verkehrsmittel mit RFID-Chips ausgerüstet werden. Auf diese Weise können dem Nutzer auch Informationen zu einfahrenden Verkehrsmitteln gegeben werden, z.B. Linie, Einstieg usw.

Als flächendeckende Orientierungshilfe in fremden Umgebungen wären diese Systeme jedoch enorm aufwendig. Sie geben vor allem punktuell Unterstützung, ihr Vorhandensein wird eher zufällig sein und ist nur an öffentlichen Knotenpunkten zu erwarten.

Digitales Kartenmaterial: Unerlässlich für eine zuverlässige Fußgängernavigation ist vor allem auch detailliertes Kartenmaterial. Hieraus ergibt sich die Forderung an Kommunen bzw. Katasterämter, digitales Kartenmaterial speziell für die Fußgängernavigation bereitzustellen. Ein erstes Pilotprojekt namens "Nav4Blind" wurde hierzu vom Landkreis Soest ins Leben gerufen. Topographische Daten werden im Genauigkeitsbereich von 10 cm erfasst, um entsprechendes Kartenmaterial zu erzeugen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheinen Navigationsgeräte für Fußgänger über Satellitenortung noch nicht voll funktionsfähig und zuverlässig zu arbeiten. Gerade für blinde Personen, die sich allein in fremden Umgebungen orientieren wollen, ist dies aber besonders notwendig.

Von der Zuverlässigkeit der Ortung und der Detailliertheit und Aktualität des zugrunde liegenden Kartenmaterials wird es abhängen, inwieweit sich Blinde in fremden Umgebungen selbständig mit Navigationssystemen bewegen können. In der letzten Zeit sind anscheinend Verbesserungen in der GPS-Ortung für Fußgänger zu verbuchen. Für die Navigation in Gebäuden und engen Innenstädten gibt es Versuche mit WLAN-basierter Navigation. Auch die Entwicklung des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo lässt darauf hoffen, dass zukünftig genauere Daten geliefert werden können.


Auf dieser Seite kommen 3 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Bluetooth, Sprachausgabe und Vergrößerungssoftware.


nach oben

Letzte Änderung: 17.06.2008 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?