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Test 2008/2009
Open Source-Screenreader NVDA und Thunder

Open Source-Software nennt man Programme, deren Quellcode frei zugänglich ist, die meist unentgeltlich programmiert und weiterentwickelt werden und die in der Regel wenig bis gar nichts kosten. Dass diesen Sommer nun gleich zwei kostenlose Open Source-Screenreader für Microsoft Windows auf den Markt gekommen sind, ist zunächst sehr zu begrüßen. Der eine Screenreader nennt sich "Thunder" und wurde im Rahmen einer EU-Förderung gerade in sechs verschiedene Sprachen übersetzt. Beim zweiten handelt es sich um NVDA - Non Visual Desktop Access, der in der aktuellen Version 0.61 ebenfalls seit kurzem in deutscher Sprache verfügbar ist.

INCOBS - Informationspool Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte hat beide Produkte unter Microsoft Windows XP und Vista sowie unter Word 2003 und 2007 getestet. Dabei galt es natürlich herauszufinden, ob die freie Software eventuell die bekannten kommerziellen Produkte ersetzen kann.

Das Ergebnis des Tests war allerdings ziemlich ernüchternd. Die Verwendung einer Braillezeile ist bei beiden Screenreadern zur Zeit nicht möglich, genutzt wird als Standard die kostenlose Sprachausgabe eSpeak. Momentan sind beide Entwicklungen noch nicht besonders ausgereift. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Arbeiten mit Windows XP und Vista

Schon beim Anmeldevorgang scheiterten beide Screenreader. NVDA begleitet die Anmeldung überhaupt nicht, weil der Screenreader erst aktiviert werden kann, wenn Windows vollständig hochgefahren ist. Thunder irritierte den blinden Tester mit diversen Fehlermeldungen, so dass auch hier sehende Hilfe gefragt war. Dass dann anschließend das Passwort unverschlüsselt von der Sprachausgabe vorgelesen wurde, machte die Sache nicht besser.

Die Verwaltung von Dateien verläuft mit beiden Screenreadern sehr holprig. NVDA gibt einigermaßen zuverlässige Informationen über Ordnerinhalte aus (Dateienanzahl, Dateigrößen etc.). Sobald man aber selbst Dateien kopiert, verschiebt oder einfach nur markiert, bleibt die Sprachausgabe entweder stumm oder wiederholt nur die Tastenkombination. Thunder begleitet Vorgänge wie Markieren oder Einfügen ebenfalls nicht zuverlässig. Schlimmer noch: Thunder verwirrt mit Fehlinformationen. So kam es in unserem Test vor, dass die Sprache "kopieren" ausgab, während in Ordnern navigiert wurde. Genauso unzuverlässig gab Thunder Informationen zum Ordnerinhalt aus.

Der Dialog zum "System beenden" kann nur von NVDA vollständig erfasst werden. Thunder bricht den Lesefluss mittendrin ab. Beide Screenreader verstummen unwillkürlich nach Auslösen des Befehls "Herunterfahren". Die Systemhilfe ist übrigens mit beiden Screenreadern nicht nutzbar.

Einfache Aufgaben in Word 2003 und 2007

Im Anwendungsprogramm Word haben wir mit den beiden Open Source-Screenreadern einfache Basisaufgaben wie das Erfassen und Erstellen von unterschiedlichen Textformaten (fett, kursiv, etc.) sowie den Umgang mit Tabellen durchgeführt.

Thunder hatte schon beim Öffnen eines Word-Dokuments Probleme: Es kam sofort zu einem Fokusverlust, der erst nach Wiederherstellen der Ansicht behoben wurde. Schriftformate sind mit Thunder nicht erfassbar. Ärgerlich fanden wir, dass die Bedienungsanleitung und vor allem das Tutorial auf CD-ROM hierzu Befehle dokumentieren, die in ihrer Mehrzahl schlichtweg nicht funktionierten.

NVDA erfasst viele Formate über spezielle Abfragen und vor allem, nachdem die Screenreadereinstellungen entsprechend verändert wurden. Probleme hat NVDA trotzdem noch mit Schriftfarben oder Aufzählungen. Manchmal gibt NVDA Formatwechsel auch noch Zeilen später aus, was für Verwirrung sorgen kann.

Enthalten Word-Dokumente Tabellen, erfährt der Thunder-Anwender das nicht. Unter NVDA werden Tabellen zwar erkannt, doch ist die Navigation recht umständlich.

Unser Fazit:

Beide Open Source-Screenreader sind für die Nutzung am Arbeitsplatz nicht geeignet, sie sind nur mit Einschränkungen für den privaten Anwender zu empfehlen. NVDA kann zwar für einfachste Textbearbeitungen oder Dateiverwaltungen eingesetzt werden, viele Anwendungsbereiche sind aber noch nicht zugänglich gemacht. Der Nutzer muss zudem häufig mit Aussetzern rechnen. Besonders enttäuscht hat uns der Screenreader Thunder. Nicht einmal einfachste Textverarbeitungsaufgaben wurden zuverlässig bewältigt und die Software erweist sich in der Praxis als äußerst instabil. Das ist sehr schade, denn immer mehr Anwender würden sich wünschen, auf freie kostenlose Screenreadersoftware zurückgreifen zu können. Nach unserem Kenntnisstand wird zumindest NVDA weiterentwickelt. Wer sich informieren möchte, kann unter www.nvda-project.org die aktuellen Versionen herunterladen.


Auf dieser Seite kommen 5 Begriffe vor, die in unserem Wörterbuch erläutert werden: Braillezeilen, Quellcode, Screenreader, Sprachausgabe und Tastenkombination.


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Letzte Änderung: 11.01.2010 | © 2006 - 2013 DIAS GmbH | Impressum | Barrierefrei?